Die Agenda 2010 als Kommunikationsproblem

Berater aus dem SPD-Umfeld wollen der Partei dabei helfen, ihr Image zu verbessern, ohne viel an politischen Inhalten ändern zu müssen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Freiburger Werbetexter Frank Stauss genießt in der SPD-Spitze hohes Ansehen. Mit seiner Agentur hat er diverse mehr oder weniger erfolgreiche Landtags- und Bundestagswahlkämpfe der Sozialdemokraten begleitet. Nun haben Stauss und sein Team im Auftrag des gescheiterten Kanzlerkandidaten Martin Schulz für die SPD-Führung zur Niederlage bei der Bundestagswahl 2017 eine ausführliche Analyse vorgelegt. Aus ihrer Sicht lassen sich Wahlniederlagen vor allem mit »schlechter Kommunikation« erklären.

So wird in dem Text ausführlich das Agieren des SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder gelobt, bevor er im Jahr 1998 den CDU-Amtsinhaber Helmut Kohl ablöste. Sein Wahlkampfslogan »Innovation und Gerechtigkeit« habe Raum für Fantasien in alle Richtungen gelassen. »Die Modernisierer der SPD wurden genauso angesprochen wie der traditionalistische Flügel der Partei«, haben die Forscher herausgefunden.

Aber warum ging es dann in den nächsten Jahren mit der SPD bergab? Warum verlor sie so viele Wähler und Mitglieder? Stauss, der frühere »Spiegel«-Journalist Horand Knaup, der SPD-Europawahlkampfleiter Michael Rüther und ihre Mitarbeiter meinen, eine wichtige Antwort auf diese schwierige Frage gefunden zu haben. Die kommunikative Begleitung »der Reformpakete Agenda 2010 und Hartz IV« sei in Schröders Regierungszeit zum »völligen Desaster« geworden. »Ohne Vorlauf, ohne Schlüsselbegriffe, ohne emotionale Aufladung - das Ergebnis ist bekannt: Unter den Folgen leidet die SPD bis heute«, schreiben die Autoren. Womöglich hätte es ihnen besser gefallen, wenn die Parteispitze ihre Entscheidungen zum radikalen Sozialabbau mit einer Jubelkampagne flankiert hätte.

Die sogenannten Agenda-Reformen der damaligen rot-grünen Bundesregierung werden von den Forschern nicht grundsätzlich abgelehnt. Sie gehen nämlich davon aus, dass die damaligen Maßnahmen zu einem deutlichen Beschäftigungszuwachs in Deutschland beigetragen, zugleich aber auch die Herausbildung einer neuen Unterklasse befördert hätten. Denn im Zuge der »Reformen« entstand ein großer Niedriglohnsektor.

Viele führende Sozialdemokraten reagierten positiv auf den Bericht. Das galt auch für Politiker, die dem linken Flügel der Partei zugerechnet werden. Die frühere Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann, die heute im Parteivorstand der SPD sitzt, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, dass es »ein erster Schritt raus aus der Mutlosigkeit hin zum Klartext« sei, »diese schonungslose Analyse online zu stellen und für alle zugänglich zu machen«.

Ähnlich äußerte sich Andrea Nahles in einem Interview mit Spiegel Online. Die Partei- und Fraktionsvorsitzende sagte, dass es ein harter Bericht »für uns alle« sei. »Aber das ist auch gut so, denn nur so ändert sich etwas«, verkündete Nahles.

In dem Bericht wird auch kritisiert, dass die Parteispitze es unter anderem mit ihren Äußerungen zur Flüchtlingspolitik möglichst vielen Recht machen wollte. Damit soll aus der Sicht von Nahles offensichtlich Schluss sein. Sie kündigte an, dass sie systematisch daran arbeite, die Widersprüche in der Partei aufzulösen. »Wir finden jetzt eine klar formulierte Haltung in der Migrationspolitik«, sagte die SPD-Chefin.

Doch so einfach ist das nicht. Zuletzt hatte Nahles gesagt, dass Deutschland nicht alle Geflüchteten bei sich aufnehmen könne. Daraufhin war sie parteiintern heftig kritisiert worden. Unter anderem der Berliner SPD-Landesverband warf ihr eine rechte Rhetorik vor. Nahles hatte diesen Satz im Zusammenhang mit dem Vorhaben der Großen Koalition geäußert, die Liste der »sicheren Herkunftsstaaten« um Marokko, Tunesien und Algerien zu erweitern, um Asylbewerber aus diesen Ländern schneller abschieben zu können. Nun bekräftigte sie diese Pläne.

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