Italien rückt weiter nach rechts

Rechtspopulistische Lega beim ersten Test nach der Regierungsbildung am stärksten

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Etwa sieben Millionen Italiener waren am Sonntag aufgerufen, ihre Gemeindevertretungen neu zu wählen. Es war der erste Test nach der schwierigen Regierungsbildung vor zehn Tagen. Die Frage, ob sich die Koalitionsparteien auch auf kommunaler Ebene durchsetzen würden, wurde vor allem zugunsten der Lega beantwortet. Mitte-Rechts unter Führung der einstigen Separatistenpartei des Nordens konnte etliche Gemeindevorstände bereits im ersten Anlauf für sich gewinnen, darunter auch die als »rote Hochburg« titulierte Stadt Terni in Umbrien.

Die Fünf-Sterne-Bewegung, die noch als strahlender Sieger aus den Parlamentswahlen hervorgegangen war, musste auf lokaler Ebene allerdings Stimmenverluste hinnehmen. In keiner der 21 Provinzhauptorte, in denen neue Administrationen zu bestimmen waren, konnten sich die M5S-Kandidaten durchsetzen. Besonders enttäuschend war das Abschneiden in den beiden römischen Stadtteilen Ivrea und Fiumicino. Dort hat die Partei keine Chance auf die Stichwahl - eine Quittung für die unentschlossene Politik Virginia Raggis, der ersten Oberbürgermeisterin der Hauptstadt.

Sie konnte bislang ihr Versprechen, gegen Vetternwirtschaft und Korruption vorzugehen, nicht erfüllen. Auch unter M5S wurden Machenschaften, die an mafiose Strukturen erinnern, aufgedeckt. Das gravierende Müllproblem Roms, dessen Beseitigung eines der Hauptwahlversprechen war, besteht auch zwei Jahre nach dem spektakulären Sieg der Anwältin. Dass die beiden Stadtbezirke wahrscheinlich an die Demokratische Partei (PD) gehen werden, zeigt, dass die Römer auch nicht zur Vorgängeradministration von Mitte-Rechts zurückkehren wollen.

Überhaupt scheinen die Demokraten mit einem blauen Augen davonzukommen. Zwar verloren sie ihre langjährige Hochburg Terni, doch konnten sie sich im lombardischen Brescia behaupten. Anders als in vielen weiteren Städten des Nordens, in denen sich vor allem die Vertreter der Lega an die Spitze der Verwaltungen stellen. Offensichtlich wirkt auch auf kommunaler Ebene eines der Hauptthemen italienischer Politik nach - der Umgang mit der Flüchtlingskrise.

Land wie auch Gemeinden fühlen sich von der andauernde Migration überfordert. Während der frisch gebackene Regierungschef Giuseppe Conte an die EU appellierte, konstatierte Bundeskanzlerin Angela Merkel, man habe »Italien allein gelassen«. Lega-Chef Matteo Salvini liefert daraufhin die drastische Antwort: »Die Flüchtlingsorganisationen mögen die Schiffbrüchigen weiter aufnehmen, wir jedenfalls schließen die Häfen für ihre Schiffe!«

Inwieweit der Innenminister und Vize-Regierungschef dies wirklich überall durchsetzen kann, bleibt jedoch abzuwarten. Einige Bürgermeister von Hafenstädten jedenfalls signalisierten Aufnahmebereitschaft, so der Livorneser Filippo Nogarin (M5S). Auch Catania, Palermo, Taranto und Messina erklärten, der Absicht des Ministers nicht folgen zu wollen.

Im Trend allerdings scheint Salvinis Politik aufzugehen. Die Lega, vor nicht allzu langer Zeit noch unbedeutende Regionalpartei, gewinnt zunehmend an Zustimmung im ganzen Land. Nicht nur die italienische Linke, auch die gesamte EU zeigt sich über diesen Rechtsruck beunruhigt. Beifall für die jüngste Entwicklung erntete Salvini allerdings vom ungarischen Regierungschef Viktor Orban und von den österreichischen Rechtspopulisten.

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