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Ein Europäer in Sachsen

Von Dilettanten, Virtuosen und der aufmunternden Kraft der Kritik

  • Lesedauer: 3 Min.

Er wurde als Sohn eines Verwaltungsbeamten im ungarischen Kronland des Kaisertums Österreich geboren. Seine Eltern sprachen Deutsch, lernten dann aber Französisch, das auch er bevorzugte und schließlich zur Korrespondenz nutzte. Obwohl er sich erst in späteren Jahren die ungarische Sprache aneignete, ließ er in der Öffentlichkeit nie einen Zweifel, dass er sich im Grunde seines Herzens den Magyaren zugehörig fühle.

Schon früh erhielt er von seinem Vater, der als Musiklehrer ebenso streng wie ehrgeizig war, Klavierunterricht. Mit neun gab er sein erstes Konzert und spielte dabei auch eigene Kompositionen. Die Anwesenden waren so beeindruckt, dass einige beschlossen, dem »Wunderkind« ein Stipendium zuzuerkennen. Damit er in den Genuss einer besseren Ausbildung kam, siedelte seine Familie nach Wien über, wo er von dem berühmten Komponisten Antonio Salieri unterrichtet wurde. Bereits im darauffolgenden Jahr ging er nach Paris, um am dortigen Konservatorium zu studieren. Aufgrund seiner Nationalität wurde er abgewiesen.

Trotzdem blieb er in Frankreich und knüpfte Kontakte zu bekannten Künstlern. Darunter waren Honoré de Balzac, Heinrich Heine und Victor Hugo. Er vertiefte sich in literarische und philosophische Werke, um so die Lücken in seiner Bildung zu schließen. Denn als Kind hatte er nur kurz die Volksschule besuchen dürfen. Außerdem warb er für die Ideen der Saint-Simonisten, die auf der Grundlage eines frühen Sozialismus die Gesellschaft gerechter machen wollten.

Beim Zusammentreffen mit Tonschöpfern wie Felix Mendelssohn-Bartholdy und Frédéric Chopin wurden ihm die Grenzen seines eigenen künstlerischen Schaffens bewusst. Für Mendelssohn war er »der dilettantischste unter den Dilettanten« und Chopin nannte ihn gar eine »pianistische Null«. Doch die Kritik spornte ihn an. Er studiere nun all die Größen, Bach, Mozart, Beethoven, teilte er einem Freund mit. »Ach! Sollte ich nicht verrückt werden, wirst Du einen Künstler wiederfinden!« Tatsächlich wurde er in der Folge so etwas wie der erste Popstar der Musikgeschichte, der mit seiner Virtuosität nicht nur Kollegen, sondern auch zahllose Frauen verzauberte.

Zunächst jedoch war sein Leben geprägt von mühsamen Reisen und Auftritten in ganz Europa. Mit 22 verliebte er sich in eine verheiratete Gräfin und entfachte damit einen gesellschaftlichen Skandal. Er floh mit seiner Geliebten in die Schweiz, wo das Paar drei Jahre lebte, bevor es weiter nach Italien zog. Aus der Beziehung, die elf Jahre währte, gingen drei Kinder hervor, ein Sohn und zwei Töchter. Seine ältere Tochter sorgte später ebenfalls für einen Skandal in der Kunstwelt. Nachdem sie sich von ihrem ersten Mann, einem berühmten Dirigenten, hatte scheiden lassen, heiratete sie gegen den Willen ihres Vaters Richard Wagner.

Mit 29 reiste der von uns Gesuchte erstmals wieder in seine ungarische Heimat, wo er wie ein Nationalheld gefeiert wurde. Ein paar Jahre später ernannte ihn der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach zum »Hofkapellmeister in außerordentlichen Diensten«. Die Zeit in Weimar war die produktivste seines Lebens. Er komponierte Klavierwerke, sinfonische Dichtungen, aber auch geistliche Musik, denn die Religion nahm in seinem Leben einen immer breiteren Raum ein. Fast 20 Jahre wirkte er als Kapellmeister, dann begab er sich erneut nach Italien und traf mit Papst Pius IX. zusammen. Er unterzog sich einer Tonsur und empfing die niederen Weihen. Als Kleriker trug er fortan den römischen Kragen und wurde als Abbé angesprochen. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er abwechselnd in Rom, Budapest und Weimar, wo er weiterhin Musikunterricht gab. Er war bereits schwer erkrankt, als er zu den Bayreuther Festspielen fuhr, die unter Leitung seiner Tochter standen. Kurz nach seiner Ankunft starb er an einer Lungenentzündung. Wer war’s?

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