Österreich fordert Aufklärung über BND-Schnüffelei

Spionage des Geheimdienstes sorgt in Österreich sorgt für Empörung / Bundeskanzler Kurz forderte »Klarheit« von den deutschen Behörden

  • Lesedauer: 3 Min.

Wien. Die Spitzen von Staat und Regierung in Österreich haben von Deutschland volle Aufklärung über Spionageaktivitäten des Bundesnachrichtendiensts (BND) gefordert. »Ein Ausspionieren unter befreundeten Staaten ist nicht nur unüblich und unerwünscht, es ist auch nicht akzeptabel«, stellte Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Samstag in Wien klar.

Anlass für die verärgerten Äußerungen in Wien waren Berichte über systematische Abhöraktionen des deutschen Auslandsgeheimdiensts in Österreich. Der BND soll zwischen 1999 und 2006 die Telekommunikation von Ministerien, internationalen Organisationen, islamischen Einrichtungen und auch Wirtschaftsunternehmen in Österreich überwacht haben, berichteten die österreichischen Blätter »profil« und »Der Standard«. Laut einer den Medien vorliegenden BND-internen Datei wurden insgesamt 2000 Telefon-, Fax- und Handyanschlüsse sowie E-Mail-Adressen ins Visier genommen. Die abgefangenen Daten seien auch mit Diensten in den USA geteilt worden.

Die Berichte über die Spionageaktivitäten der deutschen Nachbarn lösten in der österreichischen Politik große Unruhe aus. Das Kanzleramt in Wien berief für Samstag ein Krisentreffen mit den Chefs der Geheimdienste und Vertretern der zuständigen Ministerien ein. Bundespräsident und Bundeskanzler wandten sich danach in einer ungewöhnlichen gemeinsamen Pressekonferenz an die Öffentlichkeit.

Derartige Abhöraktionen würden »auf Dauer das Vertrauen zwischen den Staaten infrage stellen«, sagte Van der Bellen laut der Nachrichtenagentur APA. Der Bundespräsident bezeichnete die Vorwürfe als »ernst« und sagte: »Ich persönlich lege auf meine Privatsphäre großen Wert.«

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) forderte »Klarheit« von den deutschen Behörden. Bereits 2014 habe es »erste Verdachtsmomente« für eine BND-Überwachung in Österreich gegeben. Daraufhin eingeleitete Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten jedoch nicht erfolgreich abgeschlossen werden können, »weil Deutschland eine Kooperation damals verweigert hat«. Diesmal gehe er von der Bereitschaft Deutschlands aus, »diese Vorwürfe aufzuklären und Transparenz zu schaffen«, sagte Kurz laut APA. Der BND müsse Spionageaktionen gegen Österreich einstellen - »falls sie am Laufe sein sollten, was wir nicht annehmen«.

Die deutsche Bundesregierung wollte die Berichte weder bestätigen noch dementieren. Sie nehme dazu nicht öffentlich, sondern nur gegenüber den zuständigen und geheim tagenden Gremien des Bundestags Stellung, erklärte ein Regierungssprecher in Berlin. Zudem betonte er mit Blick auf den Spionageverdacht gegen Firmen, dass Wirtschaftsspionage weder in der Vergangenheit noch jetzt zu den Aufgaben des BND gezählt habe.

Im zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestags ist das Thema bereits angekommen: »Wir prüfen, ob die Vorwürfe neu sind oder ob sie Teil der schon 2015 bekannt gewordenen Vorwürfe sind«, erklärte der PKG-Vorsitzende Armin Schuster (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Sonntag. Er kündigte erste Erkenntnisse bis Ende der kommenden Woche an. Möglicherweise werde das Gremium in der übernächsten Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Es sei »oft weder verhältnismäßig, noch in der Sache erklärbar« gewesen, dass der BND in der Vergangenheit andere europäische Staaten bespitzelt habe, so Schuster.

Das Gesetz zur BND-Reform von 2016 hatte die Spionage gegen Bürger und Einrichtungen von EU-Staaten beschränkt. Zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Spionage gegen Österreich waren diese Schutzvorschriften aber noch nicht in Kraft. Anlass für die BND-Reform waren unter anderem die Enthüllungen über Spionageaktivitäten der USA gegen Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dazu 2013 gesagt: »Abhören unter Freunden, das geht gar nicht.« AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.