Don Quijote und der Hering

Mecklenburg-Vorpommern: Kutter- und Küstenfischer fordern Ausgleichszahlungen

  • Martina Rathke, Negast
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern fordern Ausgleichszahlungen, sollte die EU ein Fangverbot für den Hering in der westlichen Ostsee beschließen. »Unsere Fischer haben einen berechtigten Anspruch auf Ausgleichszahlungen durch die nicht von der Fischerei verursachten Verluste«, sagte der scheidende Vorsitzende des Landesverbandes der Kutter- und Küstenfischer, Günter Grothe, am Freitag auf dem Landesfischereitag in Negast. Die Zukunftsprobleme der Kutter- und Küstenfischerei seien keinen Zentimeter kleiner geworden, im Gegenteil. Er kritisierte den geplanten Ausschluss der Fischerei aus der Kernzone des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Alternativ schlug er die Einrichtung von Fischereischutzgebieten vor, in denen es keinen Pipeline- oder Windkraftanlagenbau gibt.

Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hatte für 2019 ein Fangverbot für den Hering empfohlen. Beschlossen wird dies im Oktober vom EU-Ministerrat. Agrarminister Till Backhaus (SPD) bezeichnete den Vorschlag im Vorfeld des Fischereitages als »verantwortungslos«. Er hatte sich in einem Schreiben an Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) gewandt.

»Man kommt sich inzwischen vor wie Don Quijote«, sagte der Hiddenseer Fischer Steffen Schnorrenberg. Die Lage sei so deprimierend wie noch nie. Die Verluste durch die Zunahme der Robbenbestände seien enorm. »Von einer Tonne gefangenen Hering sind 200 Kilogramm angefressen.« Komme es zu dem Ausschluss der Fischerei aus dem Nationalpark, würden ihm und anderen Kollegen die Fanggebiete genommen. »Wir wollen nicht Millionäre werden, wir wollen nur unsere Familien ernähren.« Agrar-Staatssekretär Jürgen Buchwald kündigte eine Prüfung der geplanten Fischereibeschränkungen im Nationalpark an. Fachleute sagen allerdings, dass 50,1 Prozent des Nationalparks nutzungsfrei sein müssen, so Buchwald.

Der EU-Abgeordnete Werner Kuhn (CDU) sieht Spielräume für Stilllegungsprämien und Fangausfallzahlungen, sollte es zu einem Fangverbot oder zu drastischen Kürzungen in der Heringsfischerei kommen. Er bezeichnete die Empfehlung des ICES zudem als gezielte Attacke gegen die deutsche und dänische Fischerei. Kuhn kündigte Widerstand gegen die drohende Schließung der Nationalparkkernzone für die Fischerei an. »Ein Fischer ohne Fanggebiet ist wie ein Bauer ohne Acker.« Er schlug eine Abstufung des Nationalparks in einen Naturpark vor.

Sowohl beim Heringsbestand der westlichen Ostsee als auch bei den Dorschbeständen der Ostsee beobachten Fischereibiologen seit mehreren Jahren Probleme beim Nachwuchs. Die Forscher des Thünen-Instituts für Ostseefischerei sehen den Rückgang der Heringslarvenproduktion im Zusammenhang mit dem klimabedingten Anstieg der Wassertemperaturen im Greifswalder Bodden, der als »Kinderstube« des Heringsbestandes der westlichen Ostsee gilt. »Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass die Produktivität des Herings langfristig geringer sein wird«, sagte Institutsdirektor Christopher Zimmermann.

Die Fischer kritisieren die Bauarbeiten im Greifswalder Bodden, wie den Bau der Nord-Stream-Pipeline und die Verlegung der Stromtrasse für Offshore-Windparks. Systematisch seien in den vergangenen Jahren damit Laichplätze weggebaggert worden.

Nach Angaben des Landesagrarministeriums schaut die Kutter- und Küstenfischerei auf ein durchschnittliches Fischereijahr 2017 zurück. Die Jahresgesamterlöse in Höhe von 9,95 Millionen Euro entsprachen demnach dem Durchschnittserlös der zurückliegenden fünf Jahre. Seit dem Jahr 2002 sei jedoch ein Erlösrückgang um 30 Prozent zu verzeichnen. Vor allem in der Dorschfischerei hätten der Quotenrückgang und sinkende Preise zu Erlöseinbrüchen geführt.

Im vergangenen Jahr gaben nach Ministeriumsangaben vier weitere sogenannte Haupterwerbsfischer in der Kutter- und Küstenfischerei das Handwerk auf. Die Zahl sank damit auf 230 Betriebe. Zur Wende wurden noch 1390 Haupterwerbsfischer gezählt. dpa/nd

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