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Kolumbien driftet nach rechts
Der frisch gewählte Präsident Iván Duque stellt das Friedensabkommen in Teilen infrage
Frenetischer Jubel ertönte, gefolgt von den Rufen »Uribe, Uribe«, als Iván Duque am Wahlkampfabend seinem wichtigsten Unterstützer Álvaro Uribe dankte. Der rechte Ex-Präsident des Landes (2002-2010) ist die starke Figur hinter dem erst 41-jährigen, frisch gewählten Präsidenten Kolumbiens, der politisch weitgehend unerfahren ist. In der Stichwahl am Sonntag konnte er sich dennoch mit knapp 54 Prozent gegen seinen Kontrahenten, den Linken Gustavo Petro durchsetzen, auf den rund 42 Prozent und damit rund 2,3 Millionen Stimmen weniger entfielen. Mehr als die Hälfte davon holte Duque in der Provinz Antioquia, der Heimatregion Uribes. Duque betonte am Wahlabend, das Land müsse sich nach einem hart geführten Wahlkampf nun auf die Dinge konzentrieren, die es einten. »Es ist der Moment gekommen, uns die Hand auszustrecken und nach vorne zu schauen«, sagte er in Richtung seiner politischen Gegner. Dieser hatte bereits eine Stunde zuvor seine Anhänger gewandt.
Gustavo Petro erkannte den Sieg Duque an, doch von einer Niederlage wollte er nichts wissen. »Niederlage? Welche Niederlage?«, sagte er mit Blick auf das historische Ergebnis. Acht Millionen Stimmen haben Petro und mit ihm ein Großteil der politischen und gesellschaftlichen Linken in Kolumbien in dieser zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen auf sich vereinen können. So viele wie nie zuvor. »Die traditionelle politische Klasse ist tödlich getroffen«, rief er seinen jubelnden Anhängern zu, die bis zuletzt das Unmögliche für möglich gehalten: Dass erstmals in der Geschichte des Landes ein Linker, progressiver Ex-Guerillero in den Präsidentenpalast Casa de Nariño einziehen könnte.
Und so mischte sich neben Enttäuschung auch Zuversicht und Stolz unter diejenigen, die Petro in den vergangenen Wochen unterstützt hatten. Iván Cepeda, einer der prominentesten linken Senatsabgeordneten, bezeichnet das Ergebnis als Sieg der Linken und kündigte für die kommenden vier Jahre harte Oppositionsarbeit an »Sie sollen nicht glauben, dass sie uns mit diesem Sieg in die Ecke gedrängt haben.« »Sie«, damit meinte Cepeda die Rechtspartei Centro Democrático (CD), die nun nicht nur die Parlamentsmehrheit stellt, sondern mit Iván Duque nun auch den Präsidenten. Hinter diesem hatten sich angesichts der Möglichkeit eines Linken an der Regierung aber auch weite Teile des politischen Kolumbiens versammelt. Inwieweit Duque diese nun in sein Kabinett einbindet, bleibt abzuwarten.
Duque, meist moderat im Ton und stets freundlich lächelnd, hatte sich - obwohl von einem Großteil des politischen und wirtschaftlichen Establishments, klerikal-konservativen Kräften und zahlreichen, wegen Verbindungen zum Paramilitarismus teils umstrittenen Regionaleliten gestützt - im Wahlkampf erfolgreich als Teil einer neuen Politikergeneration präsentiert. Doch um dann doch nicht allzu jung zu wirken, soll er sich gar die Haare grau gefärbt haben. Neben einem Anti-Korruptions- und Klientelismus-Kurs, Steuergeschenken zur Ankurbelung der Wirtschaft und Law-and-Order-Maßnahmen gegen Kriminelle hat der ehemalige Regierungsberater und Funktionär bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank vor allem damit gepunktet, den Friedenskurs seines Vorgängers Juan Manuel Santos nicht fortsetzen zu wollen. Im Gegenteil: Er will, ganz im Sinne des Friedenskritikers Uribe, Veränderungen an zentralen Punkten Friedensabkommen vornehmen. Besonders dass die ehemaligen FARC-Kommandanten, die sich für schwere Menschenrechtsverbrechen verantworten müssen, öffentlich Ämter wie jene als Kongressabgeordnete bekleiden können, soll rückgängig gemacht werden. Und auch die schwierigen Friedensgespräche mit der kleineren ELN-Guerilla drohen nun zu scheitern.
Die FARC zeigte sich nach Bekanntwerden des Ergebnisses erstmal gesprächsbereit. Der Parteivorsitzende Rodrigo Londoño beglückwünschte Duque zum Sieg und die Partei betonte in einer Stellungnahme, sie wolle sich mit dem neuen Präsidenten treffen und ihre Sichtweise zur Umsetzung des Friedensabkommens darzulegen.
Heike Hänsel von der Linkspartei, die als Wahlbeobachterin nach Kolumbien gereist war, appellierte im Gespräch mit »nd« an die Bundesregierung, die weitere Entwicklung des Friedensprozesses nun genau zu beobachten. »Die Bundesregierung muss darauf drängen, dass die Verhandlungen mit der ELN weitergeführt werden und das System der Sondergerichtsbarkeit erhalten bleibt«, so Hänsel.
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