Ferien - weil die Schule bröckelt
Hessen: Der Fall Neukirchen hat neue Debatten über den Sanierungstau im Land ausgelöst
Unverhofft schulfrei - dieser Traum ging in der vergangenen Woche für Schüler an zwei Schulen im nordhessischen Städtchen Neukirchen (Schwalm-Eder-Kreis) in Erfüllung. Wenige Tage vor den Sommerferien wurden die Tore der Astrid-Lindgren-Grundschule und der Steinwald-Gesamtschule verschlossen.
Was den betroffenen Schülern zunächst mehr Freizeit bescherte, macht allerdings Lehrern, Schulverwaltung und verantwortlichen Politikern Kopfzerbrechen. Denn die Schließung der Schulhäuser ist allein dem schlechten Zustand der Gebäude geschuldet: Nach Angaben der Kreisverwaltung haben statische Berechnungen ergeben, dass Teile des Mauerwerks der Gebäude zu hoch belastet seien und sich verformt hätten. Risse in der Fassade, die Handwerker bei Reparaturarbeiten entdeckten, waren unübersehbare Warnsignale und veranlassten die Behörden, die beiden baugleichen Schulhäuser vorsichtshalber für den Unterricht zu schließen. Nach einigen unterrichtsfreien Tagen müssen die knapp 200 Grundschüler nun bis zum Beginn der Sommerferien am Wochenende auf ein anderes Gebäude ausweichen. Für die Gesamtschüler werden Exkursionen angeboten. Gleichzeitig soll jetzt nach Behördenangaben die Statik der Gebäude gründlich untersucht werden.
Bund und Länder wollen die Digitalisierung von Schulen voranbringen und bis Ende des Jahres eine Vereinbarung über den geplanten Digitalpakt schließen. Bis September soll der Bund einen ersten Entwurf dazu vorlegen. Darauf einigten sich Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und die Kultusminister der Länder in der vergangenen Woche nach einem Treffen in Erfurt. Karliczek machte klar, dass sie am Ziel festhält, den Digitalpakt für schnelles Internet an den Schulen im kommenden Jahr zu starten. Ab dann sollen innerhalb von fünf Jahren fünf Milliarden Euro in die Kommunen fließen, kündigte die Ministerin an. Streit gibt es derzeit jedoch noch darüber, wie viel Geld die Länder beisteuern müssen. Bislang liegt der Digitalpakt ohnehin auf Eis, weil dafür eine Grundgesetzänderung nötig ist. Diese verzögert sich, weil die Bundesregierung bei dieser Gelegenheit gleich mehrere Grundgesetzänderungen auf den Weg bringen will. dpa/nd
Der Zustand der beiden öffentlichen Gebäude im 7000-Einwohner-Ort Neukirchen hat landesweit neue Diskussionen über den anhaltenden Sanierungsstau bei Schulhäusern im schwarz-grün regierten Hessen ausgelöst. So erinnerte Birgit Koch, Landesvorsitzende der DGB-Bildungsgewerkschaft GEW, daran, dass bereits vor zwei Monaten ein Teil der Kasseler Paul-Julius-von Reuter-Schule aus ähnlichen Gründen für den Unterricht geschlossen werden musste. »Angesichts des überall sichtbaren hohen Investitionsstaus in den Schulen Hessens haben wir schon vor über einem Jahr die Landesregierung aufgefordert, diesen Investitionsbedarf flächendeckend zu ermitteln. Passiert ist aber bis heute nichts«, so die Gewerkschafterin. Das Unterrichten von Kindern und Jugendlichen in unansehnlichen und maroden Schulen sei alles andere als generationengerecht. »Einsturzgefährdete Schulen setzen unsere Kinder und auch unsere Lehrkräfte einer Gefahr für Leib und Leben aus«, so Koch.
Ähnlich äußerte sich auch die Landtagsabgeordnete Gabi Faulhaber (LINKE). Die Meldung aus Neukirchen habe sie schaudern lassen und zeige, wie dringend die Forderung nach ausreichenden Investitionen in die Schulgebäudesanierung sei. Noch dringender sei allerdings eine umfassende Bedarfsanalyse in den Kommunen, weil es längst nicht mehr ausreiche, »hier und da Flicken zu verteilen«, so Faulhaber an die Adresse der Landesregierung. Der Vorwurf der schwarz-grünen Koalition, die Opposition betreibe Augenwischerei, wenn sie auf die Zustand von Schulhäusern hinweise, sei Ausdruck von Ignoranz und unhaltbar.
Dass Neukirchen kein Einzelfall ist und auch anderswo Schulhäuser marode sind, hat die GEW längst zum Thema gemacht. So fordert die GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe vom Bund ein milliardenschweres Investitionsprogramm für Schulgebäude und Hochschulen, weil Länder und Kommunen allein mit den Aufgaben überfordert seien. »Es ist eine Schande, dass in einem reichen Land wie Deutschland Schultoiletten in einem verheerenden Zustand oder unbenutzbar sind und in Klassenzimmern die Gefahr besteht, dass Decken einstürzen«, so Tepe.
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