Gekauft, zurückgeschickt, vernichtet?

Onlinehändler haben ein großes Problem mit Retouren - doch verschrotten ist nicht der richtige Weg

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 4 Min.

Ob Schuhe, Waschmaschinen, Bücher, Lebensmittel, oder komplette Büroeinrichtungen - es gibt kaum etwas, das nicht online bestellt werden kann. Und bestellt wird. Der für die Branche zuständige Bundesverband E-Commerce und Versandhandel e.V. (bevh) ergeht sich dazu jedes Jahr in neuen Jubelmeldungen: 2017 ist der Bruttoumsatz mit Waren im E-Commerce demnach um 10,9 Prozent auf rund 58,5 Milliarden Euro gegenüber 2016 gewachsen. Marktführer Amazon, Zalando oder Otto sind immer noch die wichtigsten Internethändler - doch »Multichannel-Händler«, die nicht ausschließlich online verkaufen, legen nach.

Was jedoch alle Händler gemeinsam haben, ist das Problem mit zurückgeschickter Ware. Im Internet kann man nun mal keine Hosen anprobieren, auch wie das Parfüm riecht, lässt sich vor dem Kauf nur schwer feststellen. Viele Kunden bestellen daher Kleidung etwa in mehreren Größen - die Zahlung auf Rechnung macht das meist ohne finanzielles Risiko möglich. Doch die Retouren kosten Geld, selbst große Händler versuchen deshalb, die Rücklaufquote möglichst gering zu halten. Dennoch geht jeder zehnte Onlinekauf laut einer Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom zumindest teilweise zurück.

Was mit den Retouren passiert, darüber machen sich die Kunden meist wenig Gedanken. Eine ZDF-Sendung zeigte vergangene Woche jedoch auf, dass jedes Jahr Millionen - teils komplett neuwertige - Rücksendungen vernichtet werden, statt sie weiterzuverkaufen. Das Problem ist die schiere Menge der versendeten Waren. Bereits 2013 gab es nach Schätzungen der Arbeitsgruppe Retourenforschung an der Universität Bamberg bundesweit rund 250 Millionen Retouren. Seitdem ist die Zahl der Onlinekäufe deutlich gewachsen. Und selbst wenn nur ein Prozent der Rückläufe vernichtet wird, ist das noch eine riesige Menge möglicherweise noch gebrauchsfähiger Ressourcen.

Zwar sagen Großhändler wie Amazon, Zalando und Co., dass sie sich bemühen, zurückgeschickte Ware entweder neu verpackt weiterzuverkaufen, sie zu spenden oder zumindest an Retourenmanagement-Unternehmen zu verkaufen. Diese begutachten und reparieren die Waren, verkaufen sie weiter - teils sogar zurück an die Ursprungshändler - oder recyceln nutzbare Teile. Nur was komplett unbrauchbar, stark veraltet oder aus hygienischen Gründen nicht wiederverkäuflich ist, wird vernichtet, heißt es.

Das hält Philipp Sommer, stellvertretender Leiter des Bereichs Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), für nicht glaubhaft. »Die Händler reden das Problem klein«, sagte er gegenüber »nd«. Die Situation sei sogar noch schlimmer, weil sie sich bis zu den Wertstoffhöfen fortsetze. Dort würden millionenfach funktionierende Altprodukte vernichtet - ohne Prüfung und ohne den Versuch, sie weiterzugeben. Nur ein Bruchteil der Wertstoffhöfe biete Verkaufs- oder Tauschoptionen an.

So gibt es bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) zwar einen »Tausch- und Verschenkmarkt« für Altgeräte, Kleidung, Möbel oder Baumaterialien, aber der wird nicht zentral von der BSR koordiniert. Bürger müssen ihre Waren selbst einstellen. Derzeit wird diese Möglichkeit von durchschnittlich rund 2000 Inserenten pro Monat genutzt, sagte BSR-Pressesprecher Sebastian Harnisch gegenüber »nd« - Tendenz steigend. Bei über 3,7 Millionen Berlinern dürfte das aber trotzdem nur ein kleiner Beitrag zur Abfallvermeidung sein. Laut DUH-Experte Sommer ließe sich gut ein Siebtel der auf die Wertstoffhöfe gebrachten Produkte wiederverwerten.

Wegen vernichteter Retouren besonders bei Elektrogeräten allein die Onlinehändler verantwortlich zu machen, sei aber nicht zielführend, so Sommer. Die Entscheidung, dass etwas verschrottet werde, liege teils bei den Herstellern selbst. Diese vereinbarten Verträge mit Händlern oder Entsorgern, die am Ende oft zu einer Vernichtung der Ware führten. Der größte Vorwurf sei aber der Politik zu machen: »Wenn Verschrottung weiterhin billiger ist als zu reparieren oder zu spenden, ändert sich an dem Problem nichts«, ist Sommer überzeugt.

Noch größer ist das Problem bei Lebensmitteln: Während viele Supermärkte und Restaurants Kooperationen mit Initiativen eingehen, die abgelaufene oder übriggebliebene Lebensmittel weiterverteilen, gebe es solche Formen der Zusammenarbeit bei Onlinehändlern kaum, so Sommer. Das sei unglaublich: »Genießbare Lebensmittel zu vernichten, ist moralisch falsch.« Zwar werden online gekaufte Lebensmittel seltener zurückgeschickt als etwa Kleidung oder Elektrogeräte, aber wenn es doch passiert, ist die Chance gering, dass die Waren noch einmal verkauft werden.

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