Der steigende Einfluss der Militärs gefährdet den Friedensprozess
Wirtschaftswissenschaftler Tobias Franz über die ökonomischen und sozialen Perspektiven unter dem neuen rechten Präsidenten Iván Duque
Für welche Wirtschaftspolitik steht der neue Präsident Kolumbiens?
Als Marionettenkandidat des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe ist davon auszugehen, dass Iván Duque vom Centro Democrático die neoliberale Wirtschaftspolitik weiterführen wird. Er repräsentiert einen erzkonservativen Teil der Bevölkerung, hat in den vergangenen Wochen die gesamte Riege des Polit-Establishments hinter sich gebracht und wird dementsprechend die Interessen der Großgrundbesitzer, der Oligarchie und der kapitalistischen Machteliten vertreten. Seine wirtschaftspolitische Agenda sieht die weitere Ausbeutung der Vorräte an fossilen Brennstoffen vor, was nicht nur schwerwiegende ökologische Folgen haben wird, sondern auch soziale, politische und wirtschaftliche.
Der Ökonom Dr. Tobias Franz arbeitet am Zentrum für Interdisziplinäre Entwicklungsstudien (Cider) der Universidad de los Andes in Bogotá. Über die Wirtschaftspolitik des neuen Präsidenten Iván Duque sprach mit ihm für »nd« David Graaff.
Inwiefern?
Die durch den Extraktivismus entstehenden Kapitalüberschüsse schaffen keine Anreize für notwendige Investitionen in Industrie und Agrarwirtschaft, was zur Folge hat, dass sich der Produktionssektor nicht entwickelt. Zugleich geht mit diesem Wirtschaftsmodell eine Konzentration der politischen Macht einher. Dies wirkt sich negativ auf Kapazitäten von staatlichen Behörden aus, denen eine unabhängige Einflussnahme auf Wirtschaftsprozesse durch die gegebenen Machtstrukturen kaum möglich ist.
Der steigende Ölpreis füllt auch in Kolumbien wieder die Haushaltskasse …
Jedoch wirkt sich die hohe Schwankung und die damit zusammenhängende Unsicherheit negativ auf notwendige Investitionen in die Realwirtschaft aus. Die steigenden ausländischen Investitionen in den Ölsektor und die damit verbundenen Zuflüsse von ausländischen Devisen können zudem zur Aufwertung des Peso führen, was Exporte teurer und damit weniger wettbewerbsfähig macht - ein allgemeines Problem von Ländern mit hoher Abhängigkeit vom Abbau fossiler Energieträger. Das größte Problem mit diesem Wirtschaftsmodell liegt jedoch darin, dass es die ohnehin sehr konzentrierten Kapitaleinkommen weiter konzentriert.
Und damit die soziale Schere weiter auseinandergeht?
Genau. Kolumbien ist schon jetzt eines der Länder mit der größten Ungleichheit in der Einkommensverteilung. In einer kürzlich veröffentlichten Studie der Industrieländerorganisation OECD steht es an allerletzter Stelle, noch hinter Südafrika: Es dauert elf Generationen, bis ein kolumbianischer Haushalt aus armen Verhältnissen das durchschnittliche Haushaltseinkommen erreicht!
Warum hat der scheidende Präsident Juan Manuel Santos Kolumbien in die OECD geführt, den »Klub der Reichen«?
Santos kommt aus einer Familie, die der traditionellen Elite Kolumbiens angehört. Diese Elite hat sich in den vergangenen Jahren, ähnlich wie die meisten Elitestrukturen in anderen Ländern Lateinamerikas, mehr und mehr zu einer transnationalen Kapitalismuselite entwickelt, die mehr am globalen Finanzkapitalismus interessiert ist als an der Entwicklung der nationalen Produktionswirtschaft. Für ein Land, das statische Wettbewerbsvorteile in Niedriglohnsektoren sowie in Agrar- und Landwirtschaft hat, bedeutet das ein weiteres Zurückfallen im globalen Wettbewerb und steigende Ungleichheit.
In den vom Konflikt am meisten betroffenen Regionen stimmte eine teils deutliche Mehrheit gegen Duque. Wie geht es mit dem Friedensprozess weiter?
Kolumbien ist bereits jetzt das militarisierteste Land der westlichen Heimsphäre, sein Rüstungshaushalt übertrifft gemessen am Anteil am Bruttoinlandsprodukt sogar die Militärausgaben der USA, und es scheint, dass eine massive Aufstockung von Militärpersonal und Verteidigungshaushalt bevorsteht. Noch in der Wahlnacht am Sonntag sprach Duque davon, die gespaltene Bevölkerung zusammenbringen zu wollen, indem er »der oberste Befehlshaber aller Kolumbianer sein wird«. Der steigende Einfluss der Militärs gefährdet zum einen die im Friedensprozess festgeschriebene Wiedergutmachung durch die Wahrheitskommission. Die für Menschenrechtsverletzungen und Massaker verantwortlichen Militärs und Paramilitärs werden versuchen, eine vollständige Aufklärung zu verhindern. Die gestärkte Rolle dieser Strukturen führt zudem dazu, dass die Gewalt in den vom Konflikt am meisten betroffenen Regionen wieder aufleben wird.
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