Viel Dämmschicht hilft nur wenig

Studie im Auftrag der Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Acht bis zehn Zentimeter dicke Wärmedämmschichten an Hausfassaden sind vernünftig. Über die Jahre lassen sich die Baukosten über die geringeren Energiekosten wieder hereinholen. Doch jeder zusätzliche Zentimeter kostet viel Geld, bringt aber nur noch wenig Einspareffekt. Experten wie Taco Holthuizen wissen das schon lange. Trotzdem hat der Architekt die Sanierung von dreigeschossigen Mietshäusern der Wohnungsgenossenschaft »Märkische Scholle« in Berlin-Lichterfelde mit einer 14 Zentimeter starken Dämmschicht projektiert. Nach dieser Vorgabe laufen derzeit die Baumaßnahmen - weil die Förderpolitik falsche Anreize bietet. Finanziell lohnen würden sich wegen der Zuschüsse sogar 17 Zentimeter, im Extremfall auch 24 Zentimeter. Doch nur für die Vermieter. Die Bewohner müssen dann für jeden Zentimeter mehr Dämmung erheblich mehr Miete bezahlen, als sie an Heizkosten sparen.

»Ökologisch ist das eine Katastrophe, was hier gerade passiert«, gesteht Holthuizen. Denn die Bestimmungen für die Vergabe von Fördermitteln orientieren sich nicht daran, wie der CO2-Ausstoß durch eine Sanierung verringert wird, sondern an der theoretisch möglichen Energieeinsparung. Es wird dabei nicht mitgerechnet, wie viel CO2 bei Produktion, Transport und Montage der dickeren Dämmplatten entsteht, und was es für die Umwelt bedeutet, wenn das Dämmmaterial bei der nächsten notwendigen Sanierung ersetzt und entsorgt werden muss. Bei der zu erzielenden Energieeinsparung wird auch nicht die Lebenswirklichkeit bedacht. Viele Menschen lüften noch immer, ohne vorher die Heizung abzudrehen. Deshalb entweicht Wärme. Der Energieverbrauch steigt.

Architekt Holthuizen und sein Team haben die Problematik einmal eingehend betrachtet und am Beispiel der Sanierung von 18 Wohnungen der Genossenschaft »Märkische Scholle« in einer Studie dargestellt, was gegenwärtig falsch läuft und wie es besser laufen würde. Die Ergebnisse für die in den 1930 Jahren errichteten Häuser lassen sich auf viele andere Gebäude in Deutschland übertragen. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der die Studie zu den Irrtümern der Energiewende in Auftrag gegeben hatte, stellte die 97 Seiten am Mittwoch in einem Baucontainer neben der Baustelle vor.

Holthuizen präsentierte dabei verblüffende Berechnungen: Wenn bei einem Neubau statt einer 24 Zentimeter dicken Dämmschicht nur eine 14 Zentimeter dicke angebracht würde, entstünden durch die Platzersparnis auf dem Baugrundstück 30 Quadratmeter zusätzlicher Wohnraum. Deren Bau würde 8000 Euro kosten. Die Vermietung würde 3200 Euro im Jahr einbringen. Nach 2,5 Jahren hätte sich das also bereits gelohnt.

Privaten Vermietern ist das alles herzlich egal. Auch eine unsinnige Wärmedämmung ist für sie wirtschaftlich, da der Mieter bezahlt. So offenherzig ist das dem Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup (SPD) bereits ins Gesicht gesagt worden. »Genossenschaften ticken anders«, weiß der Politiker. »Es ist kein Zufall, dass wir heute bei einer Genossenschaft sitzen«, sagte er am Mittwoch beim Pressetermin im Baucontainer. »Wir werden über diese Thema in der zweiten Jahreshälfte sehr intensiv reden«, kündigte der Parlamentarier an.

»Märkische Scholle«-Vorstand Jochen Icken muss an die Mitglieder seiner Genossenschaft denken und tut dies auch. Gänzlich kostenneutral sei die Sanierung für die Mieter leider nicht zu machen gewesen, bedauert er. 50 bis 70 Euro im Monat müssen sie mehr berappen, wenn sie nach zehn Monaten in Ausweichwohnungen in ihre frisch gemachten Quartiere zurückkehren. 75 Prozent wollen wieder dorthin, die übrigen dauerhaft in den Ausweichwohnungen bleiben, weil diese ihnen gut gefallen. Dass die Genossenschaft durch die Sanierung niemanden verliert, wertet Icken als Beleg dafür, dass man hier richtig vorgegangen sei, als man nicht allein nach Fördermitteln gierte und die Dämmschicht nur vier statt 14 Zentimeter dicker wählte als eigentlich vernünftig gewesen wäre.

»Wir brauchen eine umfassende Neuausrichtung der Klima- und Energiepolitik«, fordert BBU-Vorstand Maren Kern. Ihr zufolge belasten steigende Mieten besonders die unteren Einkommensschichten. »Die Energiewende hat deshalb eine erhebliche soziale Unwucht, die dringend korrigiert werden muss.«

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