Merkel und Macron für einen europäischen CO 2 -Preis

Beide Länder wollen beim Klimaschutz enger zusammenarbeiten und sich für stärkere EU-Ziele einsetzen

  • Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 3 Min.

Frankreich und Deutschland haben sich auf Eckpunkte zur Klimapolitik geeinigt. In der gemeinsamen Erklärung zum Gipfel in Schloss Meseberg versprechen die Regierungen beider Länder neben einem erneuten Bekenntnis zum Pariser Weltklimaabkommen weitere drei Dinge. So wollen sie für die EU eine Strategie zum langfristigen Klimaschutz bis 2050 entwickeln. Zur Mitte des Jahrhunderts will der Staatenbund ja seinen Treibhausgasausstoß gegenüber 1990 um 80 bis 95 Prozent gesenkt haben - wie er dorthin kommt, ist noch unklar. Neu ist der französisch-deutsche Vorstoß allerdings nicht. Schon im März hatte der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs die EU-Kommission aufgefordert, bis 2019 einen Vorschlag für eine langfristige Klimastrategie zu unterbreiten.

Laut der Meseberg-Erklärung wollen Deutschland und Frankreich außerdem »sicherstellen«, dass sich die EU auf dem Weltklimagipfel im Dezember im polnischen Katowice dazu verpflichtet, ihr Klimaziel für 2030 anzuheben. Bislang hat die EU versprochen, ihre Treibhausgasemissionen bis dahin um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken; konkrete Ziele für einzelne Sektoren gibt es aber noch nicht. Laut dem Paris-Abkommen sollen die Länder ihre Klimaziele, wie sie sie dem Vertragstext beigelegt haben, alle fünf Jahre überprüfen und aktualisieren. Die Hoffnung ist, dass es Korrekturen nach oben gibt. Ausdrücklich ist diese Richtung im Vertragstext aber nicht vorgeschrieben. Zurzeit laufen die Vorbereitungen für die erste »Nachbesserungsrunde« im Jahr 2020; das ist einer der Gründe dafür, warum der Katowice-Gipfel als der wichtigste seit dem in Paris 2015 gilt.

Ob die EU ein höheres Versprechen abgibt, liegt freilich nicht nur in den Händen von Macron und Merkel. Hinzu kommt, dass Deutschland zuletzt eher als Bremser aufgetreten ist, als es um die Ziele der EU bei der Energiewende ging oder um neue Schadstoff-Grenzwerte für Kohlekraftwerke - also um Maßnahmen, mit denen die EU ihre Klimaziele, ob nun die aktuellen oder neue, überhaupt erreichen kann. Parlament, Rat und Kommission haben sich gerade erst darauf verständigt, bis 2030 den Anteil der Erneuerbaren an der Energieerzeugung auf 32 Prozent zu erhöhen und die Energieeffizienz um 32,5 Prozent zu steigern. Umweltverbände halten das für zu gering,

In der Meseberg-Erklärung neu angekündigt ist eine gemeinsame High-Level-Arbeitsgruppe zum Klimaschutz, in der politisches Spitzenpersonal beider Länder an der künftigen Zusammenarbeit feilt und gemeinsame Positionen erarbeitet. Dabei soll es um die Energiewende und um finanzielle Anreize für nachhaltiges Wirtschaften gehen. Ausdrücklich ist die Bepreisung von Kohlendioxid-Emissionen als Schwerpunkt genannt. Macron wirbt schon lange für einen europäischen CO2-Preis, der anders als der europäische Emissionshandel neben dem Stromsektor auch den Verkehr, das Heizen und Kühlen sowie die Landwirtschaft betreffen und nicht dem Börsen-Auf-und-Ab unterliegen würde.

Die Klimaschutzorganisation Germanwatch nannte die Gipfelerklärung einen »Durchbruch zu einer strategischen Klimakooperation der beiden Länder«. Jetzt müssten beide Regierungen die Vereinbarungen mit gemeinsamen Initiativen und Projekten in Frankreich, Deutschland und auf EU-Ebene unterfüttern. Vor allem gehe es jetzt darum, »zügig ein gemeinsames Vorgehen bei der CO2-Bepreisung zu erarbeiten«.

Allerdings ist auch Skepsis angebracht: Bei den Gesprächen um die Zukunft der EU war der Klimaschutz eher ein Randthema. In Deutschland stehen die innenpolitischen Probleme der Kanzlerin mit der bayerischen Schwesterpartei CSU in der Flüchtlingsfrage im Vordergrund. Und Macron, der unter Druck steht, seinen Reden zur europäischen Idee Taten folgen lassen, setzt vor allem auf Fragen der Migration, Sicherheit und Verteidigung, aber auch der Bankenunion. Das gilt auch für den »neuen Élysée-Vertrag«, für den Macron wirbt, um die deutsch-französische Freundschaft zu stärken und in die Zeit der fortgeschrittenen EU-Integration zu übersetzen. Im Januar hatten sich die französische Nationalversammlung und der deutsche Bundestag auch für gemeinsame Maßnahmen beim Klimaschutz ausgesprochen, der im ursprünglichen Élysée-Vertrag von 1963 noch nicht auftauchte.

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