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- Interview mit AfD-Politikerin Beatrix von Storch
Wozu noch mit Rechten reden, wenn alle bereits wie Rechte reden
Fabian Hillebrand fragt sich, warum knallharte Interviews mit AfD-Politikern fast nie im deutschen Fernsehen zu sehen sind
In der Sendung »BBC Newsnight« von Mittwochabend interviewte die Journalistin und Moderatorin Emily Maitlis die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Beatrix von Storch. Gegen Ende des Interviews, bei dem von Storch zugeschaltet ist, wird die Politikerin von der Moderatorin mit Falschaussagen konfrontiert. Von Storch habe Lügen über das Ausmaß von Straftaten in Deutschland verbreitet. Maitlis konterkarierte Aussagen der Politikerin mit der jüngsten Kriminalstatistik. Deutschland sei so sicher wie seit 1992 nicht mehr, meint die Moderatorin, und schließt an: »Sie nutzen Kriminalstatistiken, um Menschen zu verängstigen.«
Der »Newsnight«-Tweet mit einem Auszug aus dem Interview ging über Nacht viral, wird tausende Male geteilt. Auch außerhalb der sozialen Netzwerke werden das Interview und die Moderatorin Maitlis für ihr konfrontatives Gespräch gelobt. Anna Grieben von der »taz« schreibt, Emily Maitlis entlarve von Storch, denn »sie weiß, die richtigen Fragen zu stellen«. Hendrik Holdmann vom »Stern« lobt die hartnäckige und gut informierte Journalistin und Lorena Dreusicke von der »Osnabrücker Zeitung« schreibt, die BBC-Moderatorin würde Beatrix von Storch der Lüge überführen.
Nun soll das handwerkliche Können der Kollegin Maitlis keinesfalls in Abrede gestellt werden. Die gebürtige Kanadierin arbeitet seit 2001 für die BBC. 2017 wurde sie vom London Press Club zur Journalistin des Jahres gekürt. Für eine Medienschaffende solchen Formats ist die Zurschaustellung einer Beatrix von Storch wahrscheinlich nur ein Fingerschnippen. Womit wir beim Kern des Problems angekommen sind: Warum sind es immer Journalisten aus dem Ausland, die der deutschen Medienöffentlichkeit zeigen, wie ein vernünftiges Interview mit einer Personalie wie von Storch auszusehen hat?
Vor einiger Zeit gab es einen ähnlichen Fall. Tim Sebastian, früher Europa-Korrespondent der BBC, ging Frauke Petry in seiner Talk-Sendung »Conflict Zone« frontal an. Und wurde dafür mit Lob überschüttet. Warum passiert das eigentlich nie, nachdem ein Alexander Gauland zu Gast bei Anne Will, Maybrit Illner, Sandra Maischberger oder Frank Plasberg war? Warum hat man hierzulande immer das Gefühl, in der Show »AfD fragt, Politiker antworten« zu sitzen? Selbst, wenn die AfD gar nicht anwesend ist. Schließlich ist das, was Sebastian und Maitlis gemacht haben, erst einmal nur, die AfD-Politikerinnen nicht mit Fake-News davonkommen zu lassen. Es gibt Fakten – trotzdem wird irgendetwas anderes behauptet. Das lässt der seriöse Journalist seinen Gästen natürlich nicht durchgehen. Klar soweit. In Deutschland aber ganz fern der Talkshow-Realität.
2015 und 2016 widmete sich fast jede vierte Talkshow-Runde in den vier wichtigsten und quotenstärksten Sendungen auf ARD und ZDF den Themen Flucht und Migration. Und das mit suggestiven Ankündigungen: Die Glaubensfrage – Gehört der Islam zu Deutschland? (Anne Will, 28. Januar 2015), Terror gegen die Freiheit – wie verteidigen wir unsere Werte? (Hart aber fair, 16. November 2015), Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam? (Maischberger, 6. Juni 2018) oder Flüchtlinge und Kriminalität (Hart aber fair, 4. Juni 2018).
Letztgenannte führte zumindest zu einem kleinen Aufschrei. Der deutsche Kulturrat empfahl den angesprochenen Talkshows eine einjährige Sendepause. Um ihre Konzeptionen zu überarbeiten. Passiert ist seitdem nichts. Werden zu den Talkshows, die sich direkt mit dem Thema Flucht und Migration beschäftigen, noch die Sendungen dazu gezählt, die sich mit »Innerer Sicherheit«, »Islamistischem Terror« und »Rechtspopulismus« befassen, kommt man nach einer Kategorisierung der »Zeit« sogar auf 117 Sendungen für 2015 und 2016. Von insgesamt 275. Nicht nur deshalb forderte das »Zentrum für politische Schönheit« unlängst einen 18 Monate langen Einladungsstopp für sämtliche Talkshows für Alexander Gauland.
Die These, die Öffentlich-Rechtlichen hätten die AfD groß getalkt, scheint nicht mehr ganz so weit hergeholt. Gerade deren Wortwahl wird häufig kritiklos übernommen und reproduziert. Das geht so weit, dass selbst SPD-Mann Martin Schulz im TV-Duell mit Angela Merkel von einer »Flüchtlingswelle« spricht. Und dabei von keinem der vier anwesenden Moderatoren unterbrochen wird.
Man kann sich also darüber freuen, dass Beatrix von Storch von der BBC mal ordentlich ausgekontert wird. Oder man fragt sich, wie weit der Rechtsruck in Deutschland eigentlich schon vorangeschritten ist, wenn man schon über den Ärmelkanal gucken muss, um zu sehen, wie mit Rechtspopulisten im Fernsehen journalistisch sauber umgegangen wird. Hierzulande ist die Frage, ob man mit Rechten reden soll, längst zur Scheindebatte geworden, da ja bereits alle selber wie Rechte reden.
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