Kanzlerin a. D. - auf Dauer

Bernd Zeller findet einen überraschenden Ausweg aus der schwierigen innenpolitischen Lage

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Unser heutiger Bericht wird veranlasst durch die Mitteilung, dass die bekannte sozialdemokratische Partei SPD sich offenbar auf Neuwahlen vorbereitet. Das ist ein findiger wahltaktischer Schachzug. Wer von der Ansetzung von Neuwahlen am wenigsten überrascht wird, ist in der besten Ausgangsposition, und als Regierungspartei kann die SPD Neuwahlen ansetzen und alle anderen damit überraschen. So hat es Erdogan in der Türkei gemacht, aber auf Originalität kommt es nicht an.

Wenn die SPD es geschickt anstellt, ruft sie einen Wahltermin im Sommer aus, wenn alle Parlamentarier im Urlaub sind; dann müssen sie missmutig Wahlkampf machen und schon wieder in den Fußgängerzonen vorgeben, im Zuhörmodus zu sein. Wer sich darauf vorbereiten konnte und trainiert hat, den Bürgern wirklich alles zu erklären, was sie an unkundigen Anliegen vortragen, ist dem Sieg nahe.

Die SPD wäre sogar davon befreit, als Merkel-Partei wahrgenommen zu werden, denn von Merkel wird niemand mehr reden. Die kennt man nicht. Jetzt wird nach vorn geschaut. Die Merkel-Ära ist nur noch etwas für vorübergehend Gestrige. Wenn jemand eine Aufarbeitung vornehmen wollte, dann mit Merkel als Symptom, nicht Ursache einer Gesellschaft, die Verantwortung durch Konsens ersetzt hat und demzufolge an keinerlei Aufarbeitung interessiert ist.

Keine Merkel-Partei wäre die CSU, jedenfalls dem Image nach. Es ist nicht sicher, dass die Schwesterparteien den Zwist nur für die Presse inszeniert haben, um Merkel einen würdigen Abgang zu verschaffen. Hinterrücks von bayerischen Kräften aus dem Amt gestoßen - damit kann man sich vor der Geschichte sehen lassen. Schmählich dagegen wäre eine bloße Abwahl oder eine Niederlage bei CDU-internen Machtkämpfen.

Momentan befände sich die CDU bezüglich der Merkel-Frage in der gleichen Situation wie vor einem Jahr: Wer soll es sonst machen? Damals hat sich diese Frage implizit bereits beantwortet. Heute wüsste man zwar auch nicht sofort irgendwelche sich aufdrängenden Namen, aber nach der Kür des Kandidaten wäre die Überraschung perfekt, welches überragende Führungstalent so lange unbemerkt in der Partei schlummerte. Der neue Spitzenkandidat der Union wird als völlig unbelastet von bisherigen Streitereien erscheinen, zugleich aber als niemals unkritisch oder unterwürfig gegenüber der Kanzlerin dokumentiert sein. So eine junge Kraft braucht nicht nur das Land, in dem wir gut und gerne leben, sondern der ganze Kontinent Europa, der beeindruckt zu uns blicken wird.

Damit ist natürlich nicht gesagt, dass der die Wahl gewinnt. Andrea Nahles nimmt schon Gesangsunterricht. Wenn drei oder mehr miteinander zu koalieren gedenkende Parteien etwa gleich stark werden, entscheidet das Alter der Partei.

Es wird also für alle irgendwie gut laufen, außer für Angela Merkel, und daran sieht man, dass es so nicht gehen kann. Wenn sie für das Wohl des Landes aufhört, bedeutet dies nichts anderes, als dass sie das schon eher hätte tun können und dass sie zu dieser Einsicht in der Lage gewesen wäre. Damit ist der indirekte Beweis erbracht, dass die behauptete Annahme falsch ist, denn dann wäre die Kanzlerin nicht Angela Merkel gewesen. Sie wird alle Mittel einsetzen, um weiterzumachen, und das öffentliche Interesse kann sich nur auf die Frage konzentrieren, welche Mittel das denn wären. Nicht mehr möglich ist, Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, denn es gibt keine mehr, mit denen sie das nicht schon getan hätte.

Damit bleibt nur die europäische Lösung. Juncker und Macron retten Merkel mit einer Straßburger Erklärung, in der sie eine Regierungsvergemeinschaftung vornehmen. Merkel würde Bundeskanzlerin a.D., und a.D. heißt auf Dauer. Für die demokratische Legitimierung gibt es eine GanzGroKo mit SPD und Jamaika, wobei aus Datenschutzgründen die einzelnen Parteien nicht mehr unterscheidbar sein dürfen. Und Martin Schulz darf dafür zu Anne Will.

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