Plattform der Werbeaktionen

Während der Fußballweltmeisterschaft spielen die Marketingabteilungen der Unternehmen voll auf Angriff

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Rewe bietet zur Fußball-WM alles, was das fußballbegeisterte (Kinder-) Herz begehrt. »Bist Du ein Fan, sind wir Dein Markt«, schleimt der Handelsriese. Das Gesicht der Werbekampagne ist Fußballer Thomas Müller. Besonders beliebt sind die Sammelkarten mit dem Bild eines Spielers der Auswahl des Deutschen Fußballbundes (DFB). Pro zehn Euro Einkauf gibt es eine gratis. Wer sich für einen bestimmten Senf oder eine Zahnpasta entscheidet, kriegt eine Karte obendrauf. Mit Glitzer oder ohne.

Eingebettet ist die Kartenaktion in eine zehnwöchige »kreative Omnichannel-Marketingkampagne«. Rewe sendet also auf allen Kanälen: Klassische Zeitungsanzeigen und Handzettel in 3500 Supermärkten, TV-Spots zur besten Sendezeit und Videoclips im Internet ergänzen sich. »Eine Kampagne aus einem Guss«, die der Handelsriese - Jahresumsatz in Deutschland: 21 Milliarden Euro - weitgehend hausintern umsetzt, erklärt Marketingleiter Johannes Steegmann. »Emotional, stimmungsvoll und mit einem Augenzwinkern« spiele Fußballer Müller in 30- und 10-sekündigen TV-Spots mit unterschiedlichen »Fancharakteren« und ziele auf »die passenden Sortimente« in den Läden.

Der genossenschaftlich organisierte Rewe-Konzern ist ein alter Hase: Schon zum fünften Mal gibt er die Sammelkarten anlässlich eines großen Turniers heraus. Über Auflagenhöhe, Lizenzgebühren an den DFB und weitere Kosten schweigt sich Rewe aus. Nur so viel wird verraten: »Die Resonanz ist überragend.« Man erwarte während der WM ein Umsatzplus von zwei Prozent und wüchse damit schneller als der Markt.

Süßwarenhersteller Ferrero (Kinderschokolade, Nutella) spielt im Team mit dem Fachblatt »Kicker«. Um an drei von 32 »Team Cards« zu kommen, müssen Kunden eine Aktionspackung kaufen und den darin befindlichen Code im Internet eingeben. Die Sammelkarten kommen per Post. Was umständlich wirkt, beschert dem Konzern Daten Abertausender bislang anonymer Verbraucher.

Mittels Kundenbindung wollen auch andere Unternehmen punkten. So bietet die Hamburger Sparkasse in ihren 200 Geschäftsstellen »Tauschbörsen« für Fußballsammelbilder an. Lebensmittelmulti Nestlé setzt auf ein WM-Gewinnspiel. Edeka und Lufthansa veröffentlichen lieber mehr oder weniger lustige Spots. Elektronikläden wie Saturn und Media-Markt (»Der Rubel rollt«) locken mit Rabattaktionen. DAX-Konzern Beiersdorf »verschenkt« an Käufer, die für mindestens zwölf Euro Nivea-Produkte kaufen, ein »Jogi-Trikot«.

Den Reklamerummel halten Marketingexperten durchaus für zweckmäßig. »Wir leben in einer Gesellschaft, in der Events wie eine Fußball-WM immer wichtiger und größer werden«, erklärt RTL-Chef Bert Habets. Das Auftaktspiel der DFB-Mannschaft sahen hierzulande 26 Millionen Menschen, Einschaltquote: 82 Prozent. »Unglaubliche Zahlen.«

Doch ist es letztlich nicht ein Nullsummenspiel für die werbenden Unternehmen - da es die Konkurrenz ja ähnlich macht -, und das letztlich auch der Kunde bezahlt? Nein, heißt es in einer Studie der Universität Hohenheim. Darin wird ein zusätzlicher WM-Konsum in Deutschland von vier Milliarden Euro erwartet. Der vor allem im Konsumgüterbereich harte Wettbewerb zwinge Unternehmen zu Aktionen, um nicht in Rückstand zu geraten. Außerdem beschert die WM den Werbern Reichweiten, die sie sonst nie erreichen könnten. Aber PR-Profis wissen auch, dass die Hälfte des Geldes fürs WM-Marketing im Abseits landet - nur welche Aktionen in den Sand gesetzt sind, wissen sie nicht.

Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet wie im normalen Fußballerleben auch der Zufall. Pünktlich zur WM kämpfte sich Rewe-Mitspieler Müller, der auch für Nudeln und Schuhe wirbt, an die Spitze der Beliebtheitsskala der Zeitschrift »Absatzwirtschaft«. Auf die Frage »Welche Prominenten sind Ihnen in der Werbung besonders aufgefallen?« nannten über acht Prozent den Stürmer - ein sehr hoher Wert, da die Umfrage keine Namen vorgibt. Müller löste Jürgen Klopp ab. Der Fußballtrainer, der für Opel wirbt, fehlt bei der WM.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -