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Warten auf den Abgas-Stempel
VW muss große Parkplatzflächen für Neuwagen anmieten - auch am BER-Flughafen
Der neue Abgastest für Autos bereitet den deutschen Herstellern weiter Probleme - jetzt auch noch Parkplatznot. Volkswagen will deshalb den leeren Berliner Pannenflughafen BER nutzen, um bereits produzierte, aber noch nicht nach dem neuen WLTP-Standard zugelassene Fahrzeuge für einige Zeit abzustellen. Der Konzern habe Flächen dafür angemietet, bestätigte ein Sprecher am Mittwoch.
Wann genau die ersten Autos ankommen sollen, ist noch offen. »Volkswagen und die Flughafengesellschaft sind sich darüber einig, Parkplatzkapazitäten am BER für die Lagerung von Fahrzeugen zu nutzen«, teilten die Betreiber mit. Einzelheiten würden noch ausgearbeitet. Der BER soll nach jetzigem Stand frühestens 2020 in Betrieb gehen - mit neun Jahren Verspätung. Es gibt vor dem Terminal auch mehrere Parkhäuser, die kaum genutzt werden.
WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) ist ein standardisiertes Messverfahren für Abgastests bei Autos, das realistischere Werte liefern soll. Vom 1. September an dürfen nur noch Neuwagen zugelassen werden, die es durchlaufen haben. Für die Hersteller bedeutet das, dass sie selbst Modelle, die schon auf dem Markt sind, nochmals neu unter verschärften Bedingungen zertifizieren lassen müssen. Und das jeweils für verschiedene Varianten eines Modells.
VW produziert zahlreiche Autos vor, die so gebaut sind, dass sie das neue Prüfverfahren schaffen – aber die sind eben noch nicht zugelassen. Konzernweit könne es zu Lieferverzögerungen bei 200.000 bis 250.000 Fahrzeugen kommen, sagte der Sprecher. Ein Teil davon werde auf angemieteten Parkplätzen abgestellt. Neben dem BER nutzt VW auch ein konzerneigenes Testgelände in Ehra-Lessien bei Wolfsburg, außerdem wird die Anmietung von Flächen an den Flughäfen Münster/Osnabrück und Hannover, am Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven sowie auf verschiedenen Kasernengeländen geprüft. Für VW ist die Parkplatznot nicht die einzige Sorge im Zusammenhang mit WLTP. Wenn der Werksurlaub vorbei ist, soll die Produktion im Stammwerk Wolfsburg bis Ende September wöchentlich ein bis zwei Tage stillstehen. Im Werk Zwickau sind für das dritte Quartal teils vereinzelte Schließtage angesetzt, teils entfallen Schichten.
WLTP sorgt nicht nur bei der Marke Volkswagen für Probleme. Die VW-Tochter Porsche kündigte kürzlich an, dass es durch das neue Verfahren zu Einschränkungen beim Neuwagenangebot kommen wird. Um die strengeren Vorgaben zu schaffen, müssten bei vielen Modellen Ottopartikelfilter eingebaut und die Fahrzeuge neu zertifiziert werden.
Während BMW und Opel betonen, bei ihnen gebe es keine Probleme oder Verzögerungen, hatte Daimler vergangene Woche auf WLTP als einen Grund dafür verwiesen, dass die Gewinnprognose für das laufende Jahr nach unten korrigiert werden musste. Man habe aber nahezu alle Modelle planmäßig zertifiziert, hieß es.
Audi, ebenfalls eine VW-Tochter, macht es ähnlich wie Volkswagen: »Wir haben Fahrzeuge, die nach dem WLTP-Standard vorproduziert werden. Sobald die behördliche Zulassung da ist, können wir die an den Handel ausliefern«, sagte ein Sprecher. Man habe zum Abstellen Flächen in den Werken oder im Umfeld, die nicht unbedingt neu angemietet werden müssten. Ob Audi-Beschäftigten in Ingolstadt oder Neckarsulm Zwangspausen drohen, ist offen. »Gespräche laufen, Betriebsrat und Unternehmensleitung suchen nach einer Lösung im Sinne der Beschäftigten«, sagte ein Sprecher des Betriebsrats.
Hersteller hatten zuletzt immer wieder viel zu kurze Übergangsfristen bei der WLTP-Umstellung beklagt. Und auch Stefan Bratzel, Autoexperte an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, betonte, man könne nicht einer Seite allein den Schwarzen Peter zuschieben. Einerseits hätten zwar die Hersteller den Bedarf an Prüfhardware und Zeit unterschätzt, aber andererseits seien die detaillierten Ausführungsbestimmungen tatsächlich erst sehr spät gekommen - und die im Dieselskandal unter Druck geratenen Autobauer hätten keinen allzu lauten Widerspruch gewagt. »Das ist also auch eine Folge des Abgasskandals in Form eines Dominoeffekts«, sagte Bratzel. Die Politik habe ein Zeichen setzen wollen - nun gebe es eine Situation, die niemand so gewollt haben könne.
Für den Flughafen BER ist die Rolle als Abstellraum nicht so neu. Erst 2017 diente der ungenutzte Flughafen als Großparkplatz: Nach der Insolvenz von Air Berlin standen auf dem Vorfeld wochenlang die Flugzeuge der einst zweitgrößten deutschen Airline herum. dpa/nd
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