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Wohnheim statt Vertreibung

Hessen: Frankfurter LINKE fordert kommunale Unterkunft für obdachlose Wanderarbeiter

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass Wanderarbeiter aus ost- und südosteuropäischen EU-Ländern mehrfacher Ausbeutung und Ausnutzung durch Arbeitgeber, Subunternehmen, Vermittler, Vermieter und weitere Profiteure ausgesetzt sind, gehört längst zum bundesdeutschen Alltag. Nicht wenige Wanderarbeiter, darunter etliche Sinti und Roma, sind obdachlos oder leben unter beengten, menschenunwürdigen Bedingungen in renovierungsbedürftigen Behausungen. In der hessischen Bankenmetropole Frankfurt am Main geriet die Notlage osteuropäischer Wanderarbeiter in den Fokus des öffentlichen Interesses, als die Stadt 2017 und erneut Ende Mai mit massiven Polizeieinsätzen Hüttensiedlungen räumen ließ, die Betroffene auf Industriebrachen selbst aufgebaut hatten. Für die Linksfraktion im Römer, dem Frankfurter Rathaus, war diese Erfahrung Anlass, um von der Kommune die Einrichtung einer Unterkunft für diese Menschen zu fordern.

Das angestrebte »Boardinghouse« solle europäischen Wanderarbeitern ohne dauerhaften Aufenthalt und ohne Anspruch auf Transferleistungen offen stehen, erklärte die Fraktionsvorsitzende Dominike Pauli am Wochenende bei einer öffentlichen Veranstaltung zur Lage der Wanderarbeiter. »Freizügigkeit in Europa heißt, dass auch Arme ins reiche Frankfurt kommen dürfen.« Sie versuchten, mit Gelegenheitsarbeiten sich und ihre Familien zu Hause zu ernähren. Weil sie sich in der Stadt keine Wohnung leisten könnten, siedelten sie sich notgedrungen immer wieder auf Brachflächen an - unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Die Politik des Magistrats, diese Menschen zu vertreiben, sei keine Lösung, erklärte Pauli. »Die Not zwingt sie immer wieder zurück«, so die Kommunalpolitikerin. Das angestrebte »Boardinghouse« soll dem Konzept der LINKE-Fraktion im Römer Schutz vor Wind und Wetter geben, Raum für die notwendigsten Bedürfnisse gewähren. Die Mieten sollen sich dabei »an den geringen Mitteln der Bewohner orientieren«. Das Konzept lehnt sich erklärtermaßen an die Tradition der Einrichtungen für Seeleute an. Pauli zieht auch den Vergleich zu Monteursunterkünften beziehungsweise zu Unterkünften etwa für Haushaltshilfen oder für von Prostitution und Mädchenhandel bedrohte jüdische Frauen im frühen 20. Jahrhundert. »Wir haben es mit einem Segment auf dem Arbeitsmarkt zu tun, bei dem kriminelle Unternehmen auf der Suche nach schnellem Profit alle Regeln und Gesetze missachten und gezielt Sozialversicherungsbetrug betreiben«, erklärt Ivan Ivanov von der DGB-Beratungsstelle »Faire Mobilität in Hessen« bei der Veranstaltung. Er trifft tagtäglich Wanderarbeiter, die zumeist aus Polen, Rumänien und Bulgarien stammen und vor allem in den Branchen Logistik, Bau, Gastronomie, Fleischindustrie und Reinigung arbeiten. Derzeit sind viele auch beim Erdbeerpflücken im Einsatz.

Die meisten Hilfesuchenden, so Ivanov, seien aus wirtschaftlicher Not und unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt worden. Sie seien in atypischen Beschäftigungsverhältnissen im Einsatz und würden oftmals selbst um den zugesagten kargen Lohn betrogen. Meist zahlten sie Wuchermieten für unhygienische Behausungen. Wenn die Lohnzahlung stocke, drohe Obdachlosigkeit, so Ivanov.

Besonders schwierig sei der Alltag für Menschen, auf denen als Angehörige der Roma-Minderheit ein uralter Diskriminierungs- und Ausgrenzungsdruck laste und die in Osteuropa in Ghettos lebten sowie rassistischen Pogromen ausgesetzt seien, so Joachim Brenner vom Frankfurter Förderverein Roma e.V. »Sie haben einen schockierenden Gesundheitszustand und sind überdurchschnittlich von Kindersterblichkeit und Arbeitslosigkeit betroffen.« Viele sagten sich, dass sie trotz aller Widrigkeiten, drohender Obdachlosigkeit und Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland doch mehr Möglichkeiten hätten als im Herkunftsland, um ihr Leben zu finanzieren, so Brenner. Sie wollten sich von ihrer Hände Arbeit ernähren und hätten gerne ein ordentliches Arbeitsverhältnis, das man ihnen aber verwehre.

»90 bis 95 Prozent der Knochenarbeit auf den Frankfurter Baustellen erbringen Menschen aus Polen und Rumänien. Sie arbeiten 200 bis 250 Stunden im Monat«, sagt der ehemalige Stadtverordnete Lothar Reininger (LINKE). »Wenn sie den ihnen zustehenden Branchenmindestlohn bezögen, hätten sie brutto 3000 Euro monatlich und könnten eine angemessene Miete im ›Boardinghouse‹ bezahlen.«

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