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Ein Macho im Rollstuhl
Ab morgen in den Kinos: die romantische Komödie »Liebe bringt alles ins Rollen«
Ein alternder oberflächlicher Macho mit oberflächlichem Macho-Job rollt im Rollstuhl seiner kürzlich verstorbenen Mutter durch die Gegend, trotz bester Fitness eine Behinderung vortäuschend, um eine hübsche junge Pflegekraft abzuschleppen. Der Plan scheint aufzugehen: Schon beim zweiten Treffen lädt sie ihn zum Essen mit der Familie ein. Im idyllischen Landhaus der Eltern angekommen, muss der alte Macho Jocelyn jedoch feststellen, dass die junge Frau einen anderen Plan hatte: Sie möchte ihn mit ihrer älteren Schwester Florence verkuppeln, die - oha! - ebenfalls im Rollstuhl sitzt.
Natürlich ist der alternde Macho zunächst von dieser Entwicklung wenig begeistert und spielt die einmal begonnene Schmierenkomödie lediglich zur Wahrung der gesellschaftlichen Form weiter, verabredet sich mit der charmanten Violinistin eher widerwillig zum ersten Date, und ebenso natürlich wird er sie mit der Zeit mehr schätzen und lieben lernen, als er es für möglich gehalten hätte. Er wird sein Gewissen entdecken, seine Haltung zu Frauen und Menschen mit Behinderungen ändern und - nach diversen Turbulenzen - sich endlich als gereifter und moralisch gewachsener Mensch auf die wahre Liebe einlassen.
Wie der Protagonist Jocelyn wirkt auch der Archetyp, den er verkörpert - das liebenswerte Arschloch in der Midlife-Crisis - ein wenig wie ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten. Das Regiedebüt des Hauptdarstellers Franck Dubosc ist eine in Stil und Inhalt recht altmodische romantische Komödie. Vom harmlosen Missverständnis, das die Geschichte anstößt, über diverse skurrile Verwicklungen und gescheiterte Aufklärungsversuche bis zum großen Knall und der notwendig konstruierten Versöhnung wird wirklich jeder übliche Story-Beat des Genres mitgenommen.
Was die Erzählhaltung des Films mit Ach und Krach ins 21. Jahrhundert rettet, ist die Figur Florence. Sie ist komplexer gezeichnet als ein klassisches »Love Interest«, treibt proaktiv und bewusst die Handlung voran, lässt sich nicht als naives Opfer auf Jocelyns Verwirrspiel ein, sondern ist ebenbürtige Sparringspartnerin. Alexandra Lamy verkörpert sie mit forschem Charme. Wobei so gut wie alle Schauspieler eine ziemlich gute Figur machen. Wie so oft sind es die verschrobenen Nebenfiguren, die dem Film Charakter verleihen: der Arzt und beste Freund, der Jocelyn stellvertretend für das Publikum ins Gewissen redet; die Sekretärin, die etwas zu viel Anteil am emotionalen Leben ihres Chefs nimmt; die fürsorgliche jüngere Schwester. Dem Ensemble aus erfahrenen Filmschauspielern sieht man gerne bei der Arbeit zu.
Visuell und inszenatorisch gibt es keine großen Überraschungen. Die Bilder sind ebenso schön wie unspektakulär. Die Handlungsorte zwischen geschäftiger Großstadt und ländlicher Idylle - überall, wo sich die obere Mittelschicht halt so herumtreibt - sind routiniert in Szene gesetzt; das Timing sitzt, die Chemie zwischen den Figuren stimmt. In jeder Bedeutung des Wortes ein netter Film.
»Liebe bringt alles ins Rollen«, Frankreich/Belgien 2018. Regie/Buch: Franck Dubosc Darsteller: Franck Dubosc, Alexandra Lamy, Elsa Zylberstein. 107 Min.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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