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Österreich hilft gerne beim Waschen schmutziger Finanzen
Eine Studie der Grünen im Europaparlament bescheinigt der Alpenrepublik erhebliche Defizite bei der Geldwäschebekämpfung
Österreichs Ministerpräsident Sebastian Kurz will bekanntlich »illegale« Migranten rigoros vor der Grenze aufhalten. Doch was Geld aus zweifelhaften Quellen angeht, ist der konservative ÖVP-Politiker bei weitem nicht so streng. »Das Finanzzentrum Österreich winkt mit Steuerschlupflöchern. Gegen Flüchtlinge geht die Regierung rigoros vor, Steuervermeider und schmutziges Geld finden im Steuersumpf Österreich nach wie vor ein Zuhause«, sagt Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen.
Seine Fraktion hat anlässlich der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft eine Studie über die Rolle des Alpenlandes als Schattenfinanzplatz herausgegeben. Das Ergebnis: Auch wenn Österreich in den vergangenen Jahren auf Grund öffentlichen Drucks etwas gegen Geldwäsche und Steuervermeidung getan hat, bleibt es aus verschiedenen Gründen beliebtes Ziel für Geld aus schmutzigen Quellen. So haben die Behörden weiterhin wenig Elan, Geldwäsche zu verfolgen, und auch die österreichische Staatsbürgerschaft ist für eine solvente Kundschaft immer noch mit Hilfe von Investitionen käuflich.
Nicht nur die Grünen haben Zweifel an Österreichs Redlichkeit bei Finanzen. Die FATF, die Anti-Geldwäsche-Einheit der Industriestaatenorganisation OECD, hatte Österreich im Jahr 2016 fast auf ihre Beobachtungsliste gestellt, weil Wien Geldwäsche in sieben von elf analysierten Bereichen gar nicht oder nur mäßig effektiv anging. Auch der Internationale Währungsfonds mahnte Österreich Ende Juni dieses Jahres an, Geldwäsche künftig effektiver zu bekämpfen.
Die FATF konnte in Österreich damals keine Verfahren ausfindig machen, in denen es um komplexe und professionelle Geldwäsche ging. So wurden 2015 lediglich 61 Personen wegen Geldwäsche verurteilt, wobei es sich meist um einfache Formen der Geldwäsche handelte, bei denen einige Tausende Euro schwere, aus dem Drogenhandel erwirtschaftete Geldbündel über die Grenze geschmuggelt werden sollten. Folglich wurden in diesem Rahmen lediglich 421 858 Euro beschlagnahmt.
Auch die Banken Österreichs spielen eine wichtige Rolle im Geschäft mit dem schmutzigen Geld. Sie sind in ost- und südosteuropäischen Ländern wie der Ukraine, Russland oder Bosnien-Herzegowina aktiv, die sehr anfällig für Geldwäsche sind. Nichtsdestotrotz musste die FATF 2016 bemängeln, dass 83 Prozent der österreichischen Banken keine Berichte über verdächtige Transaktionen eingereicht hatten.
Alte Sünden einer alten Regierung, könnte man meinen. »Aber die Prioritäten von Bundeskanzler Sebastian Kurz grenzen an Arbeitsverweigerung und sind ein brachial wirtschaftsliberaler Kurs mit Steuergeschenken für Großkonzerne«, sagt Michel Reimon, österreichischer EU-Abgeordneter der Grünen. Die Österreichischer würden von den »durch Steuerflucht versteckten Millionen keinen Cent sehen«. So versprach Kurz im Wahlkampf den Unternehmen Steuergeschenke in Höhe von vier Milliarden Euro.
Dabei senkte Österreich bereits 2005 die Körperschaftssteuer von 34 auf 25 Prozent. Zudem bietet die Alpenrepublik international aufgestellten Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, sich um die Steuer zu drücken. So gibt es etwa Abkommen mit Ländern wie Brasilien und Zypern, die dazu führen, dass manche Geschäfte gänzlich steuerfrei bleiben. Auch macht es Österreich Konzernen leicht, ihre Verluste von einem ins andere Land zu verschieben, um Steuern zu sparen. Rund 250 Millionen Euro soll diese laxe Regel Österreich pro Jahr an Steuerausfällen kosten, dafür hat das Land infolge der Regelung über 300 regionale Zentralen großer Konzerne bei sich ansiedeln können.
Nicht zuletzt bietet Österreich solventen Klienten seit 1973 einen ganz besonderen Service, der den Autoren der Studie ein Dorn im Auge ist: Wer dem Land »außerordentliche Dienste« erweist oder diese in Aussicht stellt, kann dafür von der Regierung recht unkompliziert die begehrte österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Zu solchen »außerordentlichen Diensten« gehören auch Investitionen, weshalb man sagen kann, dass Österreich seine Staatsbürgerschaft auch verkauft. Zwischen 2006 und 2017 erhielten mehr als 300 Personen so einen Pass der Alpenrepublik. Neben unverdächtigen Künstlern und Athleten war auch manch dubioser Zeitgenosse darunter.
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