Streit über Asylpolitik
Internationale Presse
Arab News, Saudi-Arabien
Keine Gewinner
Es gibt keinen Gewinner im Seehofer-Drama. Merkel ist geschwächt, was ihrer Position innerhalb der EU oder gegenüber US-Präsident Trump nicht helfen wird. Seehofer sieht schwach aus und muss wahrscheinlich nach der Wahl in Bayern seinen Hut nehmen. Die EU wurde an den Rand des Abgrunds geführt und konnte keinen realistischen oder dauerhaften Kompromiss finden. Das Flüchtlingsproblem könnte der Untergang der EU sein.
Gazeta, Russland
Gespaltene Gesellschaft
Der Konflikt spaltet weiterhin die deutsche Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die gesicherte Grenzen und Ordnung fordern. Sie wollen die Zuwanderung nach Europa einschränken. Die Gegenseite betont, dass ein Land, das die Schrecken des Hitler-Regimes erlebt hat, vor Kriegen fliehende Menschen nicht im Stich lassen darf. Bislang stand Merkel für die humanistische Sicht. Und bis dato war sie ein politisches Schwergewicht, dem in Deutschland kein anderer Politiker das Wasser reichen konnte. In Folge der Flüchtlingskrise und des Streits mit Seehofer aber hat sie an an Popularität eingebüßt.
New York Times, USA
Merkels Verantwortung
Merkel hat die Bedingungen geschaffen, die den Feinden des europäischen Ideals ihren Aufstieg ermöglichten. Sie weigerte sich, die Zahl der Asylbewerber in Deutschland zu begrenzen, und bat dann andere europäische Länder, sie aufzunehmen. Die AfD war eine kleine euroskeptische Partei - bis die Flüchtlingskrise kam. Auch Fremdenfeinde in Österreich, Italien und Schweden haben politisch von Merkels Entscheidung profitiert. Je länger sie an der Macht ist, desto stärker werden reaktionäre Kräfte. Und sind 13 Jahre im Amt nicht mehr als genug?
Berlingske, Dänemark
Vorteile der EU
Die EU garantiert den Europäern finanzielle Vorteile, Frieden und Stabilität, doch die Gemeinschaft ist durch den Brexit, durch ein aggressives Russland und den Flüchtlingsdruck herausgefordert. Deshalb ist es entscheidend, dass wir ein starkes Deutschland haben, das an der Spitze des europäischen Projekts stehen kann.
El Pais, Spanien
Das deutsche Dilemma
Merkels progressiver Koalitionspartner SPD lehnt die Errichtung von Internierungszentren auf deutschem Staatsgebiet ab. Die Sozialdemokraten stehen damit vor einem ernsten Dilemma, in dem es für sie keine gute Option zu geben scheint. Merkel kann in dieser Situation bestenfalls darauf hoffen, die tiefen Gräben zwischen ihren Koalitionspartnern durch einen oberflächlichen Friedensschluss zu verdecken. Die SPD hat sich bislang als loyaler Partner erwiesen und dafür an den Wahlurnen einen hohen Preis gezahlt. Auf der anderen Seite steht die CSU, die sich vom populistischen Diskurs der fremdenfeindlichen Ultrarechten hat anstecken lassen und die sich mit Blick auf die Landtagswahlen für eine radikale Strategie des »Bayern zuerst« entschieden hat. Die europäische Flüchtlingspolitik darf aber nicht dem regionalen Populismus ausgeliefert werden.
Dagsavisen, Norwegen
Hohle Worte
In einer Rede im deutschen Bundestag hat Angela Merkel gewarnt, der Umgang mit Migration in die EU und zwischen den Mitgliedsländern könne darüber entscheiden, ob die Gemeinschaft überlebe. Das sind große Worte, aber sie sind nicht übertrieben. Mehrere EU-Lösungen für die Flüchtlingskrise widersprechen grundlegenden Werten und Menschenrechten. Um selbst nicht verantwortlich zu sein, haben die Staaten die Verantwortung an Länder wie die Türkei und Libyen outgesourct, zusätzlich zu mehreren afrikanischen Ländern ohne funktionierenden Rechtsstaat. Deswegen ist Merkels Warnung letztlich auch hohl. Als mächtigste Anführerin der EU und Chef-Verhandlerin des Türkei-Abkommens von 2016 ist sie in höchstem Grade mitverantwortlich für die Erosion der gemeinsamen Werte und Rechtsstaatsprinzipien. Und damit auch für die Zerstörung dessen, was die EU ist und sein sollte.
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