- Politik
- Flüchtlingshilfe
Tausende demonstrieren für Seenotrettung
Aktionen und Proteste in mehreren Städten in Deutschland / Aktion »Seebrücke« fordert Einrichtung sicherer Fluchtrouten
Berlin. Tausende Menschen haben in mehreren deutschen Städten für die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer demonstriert. Den größten Protestzug gab es am Samstag in Berlin. »Wir hatten 700 Teilnehmer angemeldet. Es sind aber deutlich mehr gekommen«, sagte Timo Fischer von der Organisation »Seebrücke«. Die Veranstalter zählten schließlich mehr als 12.000 Teilnehmer.
Unter dem Banner »Stoppt das Sterben im Mittelmeer« zogen sie vom Alexanderplatz zum Bundeskanzleramt im Berliner Regierungsviertel.Viele trugen orange Kleidung als Zeichen der Solidarität mit den Seenotrettern. »Stell dir vor, in den Booten säße deine Familie« oder »Seebrücke statt Seehofer«. Es entstehe der Eindruck, die EU wolle »mit allen Mitteln« die Seenotrettung abschaffen, sagte Fischer. »Wir zeigen Flagge dagegen.« Mehrere Mittelmeer-Anrainer, darunter Italien, Spanien und Malta, hatten Rettungsschiffe zuletzt abgewiesen oder erst nach langen Auseinandersetzungen aufgenommen.
Zu den bundesweiten Protesten hatte ein Bündnis »Seebrücke« aus 13 Flüchtlingsinitiativen und zivilgesellschaftliche Gruppen aufgerufen, darunter »Sea-Watch«, »Mission Lifeline«, »Sea-Eye«, »Gesicht zeigen!« und das »Peng Collective«.
Auch in Bremen, Hannover, Heidelberg, München und weiteren Städten fanden Aktionen und Proteste gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik statt. In Bremen beteiligten sich der Polizei zufolge 400 Demonstranten an einer Kundgebung, die sich auch gegen eine von Rechtsextremisten geplante Aktion richtete. In Hannover protestierten nach Behördenangaben mehr als 500 Menschen auf dem Opernplatz gegen mögliche Sammellager in nordafrikanischen Staaten. Es dürfe nicht sein, dass hilfsbedürftige Flüchtlinge nah an Krisenherden interniert werden, erklärte der Flüchtlingsrat der Stadt.
In Ulm kamen nach Angaben der Organisatoren rund 100 Menschen zusammen, in Heidelberg nach Schätzungen der Polizei bis zu 300. In München wurden 150 Teilnehmer gezählt. Im sächsischen Zwickau versammelten sich nach Veranstalterangaben etwa 90 Menschen. Weitere Aktionen waren am Abend unter anderem in Leipzig, Frankfurt am Main und Gießen geplant. Auch in Malta gab es Aktionen. Dort forderten Aktivisten die Regierung auf, Rettungsschiffe von Nichtregierungsorganisationen nicht länger am Auslaufen zu hindern.
Derweil rief der Fernsehmoderator Klaas Heufer-Umlauf vom Komiker-Duo Joko und Klaas im Internet zu Spenden auf, um den privaten Rettungsorganisationen das Chartern von Schiffen zu ermöglichen. Derzeit könne auf dem Mittelmeer nicht gerettet werden, obwohl es genug Leute gäbe, die das tun möchten, weil die Schiffe beschlagnahmt seien, sagte er in einer Videobotschaft. Es brauche jetzt Schiffe, um ein Zeichen zu setzen und zu zeigen, dass die Seenotrettung weitergehe, und um Hilfe leisten zu können. Er werde persönlich dafür sorgen, dass das Geld da ankomme, wo es hinmüsse.
Zuvor hatte bereits der Fernsehmoderator Jan Böhmermann eine Spendenkampagne zur Deckung der Prozess- und Gutachterkosten für den deutschen Kapitän des Rettungsschiffs »Lifeline«, Claus-Peter Reisch, gestartet. Bis Samstagnachmittag kamen über 175.000 Euro zusammen.
Die internationale Bewegung »Seebrücke« entstand als Reaktion auf die Vorkommnisse um das Rettungsschiff »Lifeline«. Es trieb im Juni tagelang mit über 200 aus Seenot geretteten Menschen im Mittelmeer, ohne eine Erlaubnis zum Anlegen zu bekommen. Seit Jahresbeginn ist die Todesrate - also der Anteil der Geflüchteten, die die Flucht über das Mittelmeer nicht überlebt, gestiegen. Gleichzeitig sinkt mit zunehmender Abschottung die Zahl der Geflüchteten, die über die Mittelmeer-Route kommen. Laut UN-Angaben gelten mehr als 1400 Menschen als tot oder vermisst. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.