»Kaufstadt« liegt im Trend

Fusionen und Kooperationen unter Handelsriesen erhöhen den Druck auf die Produzenten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die »Kaufstadt«, so nennen Manager das Projekt, nimmt Gestalt an. Seit Jahren verhandeln Karstadt und Kaufhof immer mal wieder über einen Zusammenschluss. Bislang stets ohne Ergebnis. Nun scheint es, als könnte es tatsächlich zu einer Fusion der Warenhausketten kommen. Der kanadische Kaufhof-Eigentümer Hudson's Bay Company (HBC) und der österreichische Karstadt-Eigner René Benko haben vergangene Woche eine erste Absichtserklärung unterzeichnet. Sie sieht nach Angaben aus Verhandlungskreisen vor, Kaufhof, Karstadt und Karstadt Sport in einem gemeinsamen Unternehmen zusammenzuschließen. Das Gemeinschaftsunternehmen soll auch die Warenhäuser von HBC in Belgien und den Niederlanden umfassen, Ziel sei eine »Europäische Warenhaus AG« mit etwa sechs Milliarden Euro Umsatz und 40.000 Beschäftigten.

Damit liegen die beiden großen deutschen Warenhausketten ganz im Trend der europäischen Einzelhandelsbranche. Die vordringende Billig-Konkurrenz von Aldi und Lidl sowie Versandhändler wie Amazon drücken auf die Margen, die Kaufhäuser, SB-Warenhäuser und Supermärkte erzielen. Angestrebt wird üblicherweise ein Gewinn von drei Euro auf 100 Euro Umsatz. Eine solch hohe »operative Umsatzrendite« erreichen jedoch offenbar nur noch wenige Konzerne in der EU. Seit kurzem dringen die Internet-Händler sogar in das angestammte Kerngeschäft des stationären Handels ein: frische Lebensmittel.

Wie die »Europäische Warenhaus AG« setzen vor diesem bedrohlichen Hintergrund auch die Supermarktriesen auf Bündnisse. Carrefour aus Frankreich und Tesco aus Großbritannien gehören zu den größten Supermarktketten der Welt, zusammengerechnet beschäftigen sie 800 000 Menschen. Jetzt kündigen die beiden Handelsriesen eine »langfristige strategische Partnerschaft« an, um profitabler zu werden. Sie wollen zukünftig gemeinsam einkaufen und so günstigere Preise bei den Lieferanten erzielen. Fachleute schätzen, dass Carrefour und Tesco zusammen Lebensmittel und andere Waren pro Jahr für 90 Milliarden Euro einkaufen. Auch geringfügig bessere Konditionen beim Einkauf schlagen da schon erheblich zu Buche.

In Deutschland hatte in den vergangenen Monaten ein Bündnis um die Einzelhändler Edeka und Coop für Schlagzeilen gesorgt. Während der harten Preisverhandlungen unter anderem mit Nestlé wurden Produkte des Herstellers aus den Regalen genommen. Edeka und Coop wollten niedrigere Einkaufspreise erzielen. Das scheint gelungen zu sein. Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern aus der Schweiz unterlag offensichtlich der Macht der Handelsriesen.

Nestle wird den Druck an seine Zulieferer und Bauern weitergeben. Der Preiswettbewerb im Einzelhandel wird so letztlich auf Kosten der ursprünglichen Produzenten, der Qualität und der Umwelt ausgetragen. Konsumenten werden dagegen von niedrigen Preisen profitieren.

Sowohl Edeka/Coop wie Carrefour/Tesco fühlen sich vor allem von den auch in Frankreich und Großbritannien erfolgreichen deutschen Discountern Aldi und Lidl attackiert. Die wildern auch in der Schweiz, Osteuropa und versuchen, in den USA Fuß zu fassen.

Erst Anfang Mai hatte die britische Supermarktkette Sainsbury´s den Lebensmitteleinzelhändler Asda für acht Milliarden Euro gekauft. Damit verdrängt Sainsbury´s im Vereinigten Königreich den Rivalen Tesco von Platz eins. Mehr Größe heißt auch in diesem Fall mehr Einkaufsmacht und sinkende Kosten.

Mehrere Handelsgruppen, darunter die deutsche Metro und die französische Casino, haben vergangene Woche ebenfalls eine weitreichende Zusammenarbeit im Einkauf vereinbart. In allen Fällen müssen die Kartellbehörden in mehreren europäischen Ländern noch zustimmen. Angesichts der geballten Einkaufsmacht der neuen Zusammenschlüsse erscheint Experten eine Zustimmung keineswegs selbstverständlich.

Karstadt schrieb ein Jahrzehnt lang Verluste. Immerhin scheint der 2014 eingeschlagene Sanierungskurs Wirkung zu zeigen. 2017 wurde ein, allerdings nur minimaler, Gewinn von 1,4 Millionen Euro eingefahren. Dafür hatten die Beschäftigten einem Sanierungstarifvertrag zugestimmt, der deutliche Gehaltseinbußen vorsieht.

Auch Galeria Kaufhof steckt seit langem in der Krise. Vor drei Jahren hatte die kanadische HBC die Kaufhaus-Kette von der Metro-Gruppe übernommen. Seither werden keine belastbaren Bilanz-Zahlen mehr veröffentlicht. Zuletzt hatte der kanadische Mutterkonzern signalisiert, dass er die Kaufhauskette loswerden will.

Die Eckpunkte der Kaufstadt-Fusion stehen. Frühestens Ende Juli könnte ein verbindlicher Vertrag geschlossen werden. Die Gewerkschaft ver.di fordert die Eigentümer auf, »umfassend zum Sachstand zu informieren«. Kaufhof und Karstadt sind an rund 60 Standorten doppelt vertreten. Entsprechend groß wäre das Potenzial für Schließungen und Stellenabbau.

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