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Anstand von unten
Robert D. Meyer über die Proteste gegen das Sterben im Mittelmeer
Als im Oktober 2000 am Eingang einer Düsseldorfer Synagoge mehrere Brandsätze explodierten, rief der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder zu einem »Aufstand der Anständigen« auf, hinter dem sich die erste Riege der Politik versammelte. Selbst Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber teilte die Ansicht: »Wegschauen ist nicht mehr erlaubt.«
18 Jahre später erfolgt solch ein mahnender Appell weder aus der Großen Koalition und schon gar nicht aus dem CSU-regierten Freistaat. Im Gegenteil: Während die Unanständigen auf den Parlaments- und Regierungsbänken sitzen, sind es Tausende auf der Straße, die daran erinnern, dass dem Sterben im Mittelmeer zuzuschauen keine Option ist. Was unter dem Stichwort Seebrücke passiert, erinnert an den kurzen Spätsommer der Willkommenskultur 2015.
Damit der Wind dreht
Bootsbauer Philipp Hahn fährt auf der »Sea-Watch« und ist überzeugt: Die zivile Seenotrettung kann weitermachen
Ein Wiederentdecken der Solidarität, die für viele kaum noch sichtbar war, angesichts der von rechts bis tief hinein ins bürgerliche Lager vergifteten Migrationsdebatte. Doch die Bewegung zeigt, wie darauf zu antworten ist: Öffentliche Räume besetzen, nicht auf Weckrufe von oben warten, den Menschen in Not und ihren Helfern ein Gesicht geben, den Diskurs mit eigenen Schlagworten übernehmen. Seebrücke statt Seehofer. So funktioniert Bewegung von unten.
Nun gilt es, Beharrlichkeit zu zeigen. Das politische Klima lässt sich nicht über Nacht zum Positiven wenden. Beginnt aber niemand, bliebe Humanität weiter eine Sonntagsrednerfloskel.
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