Scharfe Kritik an Seehofers Abschiebe-Freude

Aus Deutschland abgeschobener Afghane begeht Suizid

  • Lesedauer: 3 Min.

Kabul. Ein vor einer Woche aus Deutschland abgeschobener afghanischer Asylbewerber hat sich nach seiner Rückkehr erhängt. Er sei am Dienstag in einer von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zur Verfügung gestellten vorübergehenden Unterkunft in Kabul aufgefunden worden, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Flüchtlingsministeriums am Mittwoch in Kabul. Der Mann aus der nordafghanischen Provinz Balkh sei 23 Jahre alt gewesen und habe acht Jahre lang in Deutschland gelebt.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) und aus dem Flüchtlingsministerium in Kabul hatte der junge Mann in Hamburg gelebt. Ein BMI-Sprecher sagte, er sei wegen Diebstahls und Körperverletzung mehrfach rechtskräftig verurteilt worden. Afghanische Behörden hätten dem BMI am Mittwoch bestätigt, dass es sich um Suizid handele. Die geschilderten Umstände deuteten stark darauf hin.

Eine Quelle aus dem Kabuler Büro der IOM bestätigte den Tod des jungen Mannes. Man untersuche den Vorfall noch. Die afghanische Polizei ermittele ebenfalls. Der Mann sei im Spinsar-Hotel gefunden worden, wo IOM rückkehrenden Flüchtlingen, die nicht wissen wohin, einige Tage Unterschlupf gewährt.

Mit dem jüngsten Abschiebeflug aus Deutschland hatten Bund und Länder 69 Passagiere und damit ungewöhnlich viele abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan zurückgebracht. Allein Bayern hatte 51 Afghanen in den Flieger gesetzt, der am Abend des 3. Juli in München gestartet war. Außerdem hatten sich laut Bundesinnenministerium die Länder Hamburg, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein an der Abschiebung beteiligt.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich noch am Dienstag zufrieden über die hohe Zahl der Abgeschobenen geäußert. »Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 - das war von mir nicht so bestellt - Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden. Das liegt weit über dem, was bisher üblich war«, sagte der CSU-Chef bei der Vorstellung seines »Masterplans Migration« in Berlin.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt mahnte: »Abschiebungen eignen sich nicht für Scherze.« Bei Seehofer seien Entscheidungen über Menschenleben deshalb »in schlechten Händen«. Unabhängig von den genauen Umständen dieses Falles sei die Verzweiflungstat eines jungen Menschen zu bedauern. »Es ist verantwortungslos, dass immer mehr Menschen nach Afghanistan in eine ungewisse Zukunft geschickt werden.« Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke forderte ebenfalls ein Ende der Abschiebungen nach Afghanistan. »Die Lage dort wird immer schlimmer, aber Deutschland weitet die Abschiebungen aus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das tödliche Folgen hat«, so die Innenpolitikerin der Linkspartei. Die Abschiebungen sind wegen der sich rasant verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan umstritten.

Bei einem Anschlag auf die Bildungsbehörde in der ostafghanischen Stadt Dschalalabad sind am Mittwoch mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Es ist der dritte schwere Anschlag in der Stadt an der Grenze zu Pakistan in den vergangenen zwei Wochen. Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -