Ein Kampf gegen die Gier

Die Beschäftigte des Autozulieferers NHG demonstrierten am Main für ihre Arbeitsplätze

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Laut, geschlossen, klassenkämpferisch und kapitalismuskritisch gaben sich rund 500 Streikende des Autozulieferers Neue Halberg Guss (NHG) am Donnerstag bei einer Demonstration durch das Bankenviertel in Frankfurt am Main. Sie waren bereits in den frühen Morgenstunden vor den NHG-Werkstoren in Leipzig und Saarbrücken in Busse gestiegen, um nach vier Wochen Arbeitskampf der IG-Metall-Verhandlungsdelegation in der Tarifverhandlung mit dem NHG-Management den Rücken zu stärken. Die Gespräche endeten nach vier Stunden ohne Annäherung. Einen neuen Verhandlungstermin gibt es nach IG-Metall-Angaben derzeit nicht.

Mit dem Streik, der offenbar bereits Lieferengpässe bei großen Fahrzeugbauern wie Opel und Deutz-Fahr ausgelöst hat, möchte die Gewerkschaft das drohende Aus der beiden NHG-Standorte in Leipzig und Saarbrücken verhindern. Sie verlangt einen Sozialtarifvertrag zur spürbaren Abfederung der Folgen möglicher Entlassungen sowie die Einrichtung einer Qualifizierungsgesellschaft und eines Treuhandfonds. »Wir lassen nicht zu, dass der Laden leergeräumt wird und ihr mit leeren Taschen dasteht«, bekräftige IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner bei der Kundgebung vor dem Verhandlungslokal die Entschlossenheit der gewerkschaftlichen Unterhändler. Er warf dem NHG-Eigentümer, der bosnischen Unternehmensgruppe Prevent, Raffgier und ein Geschäftsmodell nach dem Motto »Unternehmen aufkaufen, Geld rauspressen und Betriebe auf dem Rücken der Beschäftigten schließen« vor.

Beim Demonstrationszug durch das Bankenviertel vermittelten riesige Transparente klare Botschaften. »Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht«, lautete eine Parole aus der Feder von Bertolt Brecht. »Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche«, so ein anderes Spruchband in Anlehnung an den lateinamerikanischen Revolutionär Che Guevara. »Eigentum verpflichtet« war eine weitere, dem Grundgesetzentnommene Parole. Die Gewerkschafter werfen der Prevent-Gruppe, die sich auf den Erwerb von Autozulieferern spezialisiert hat, klassisches »Heuschreckengebaren« vor. »Hast du Hastor erst im Haus, gehen bald die Lichter aus«, hieß es in Anlehnung an die Unternehmerfamilie Hastor, die den Prevent-Konzern leitet.

»So etwas gehört verboten und solchen Anteilseignern gehört der Laden weggenommen«, rief Michael Erhardt von der Frankfurter IG Metall unter Beifall. »Mit unserer Solidarität werden wir das Diktat des Kapitals durchbrechen.« Der Metaller erinnerte daran, dass der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann mit Renditevorgaben von bis zu 25 Prozent Konzerne wie Prevent in ihrer »Profitgier« ermutigt habe. Als die Demonstration die Zentrale der Großbank passierte, erklang die Parole »Brecht die Macht der Banken und Konzerne« - und die Demonstranten streckten ihre Fäuste in die Höhe.

»Wir haben für die Rettung unserer Arbeitsplätze alles getan und jetzt will uns einer kaputt machen«, rief der Saarbrücker NHG-Betriebsrat Mario Vangelista seinen Kollegen zu. »Wir lassen uns nicht durch Drohungen vom Hof jagen, sondern kämpfen weiter«, pflichtete ihm eine Kollegin bei. »Mit 54 Jahren habe ich eh keine Chance mehr auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz«, begründete ein Leipziger NHG-Arbeiter seine anhaltende Streikbereitschaft. »Geld ist für uns alle da, holt’s zurück aus Bosnia«, so der Refrain eines eigens getexteten Streiklieds in Anspielung an den Ursprung des Prevent-Konzerns.

Aus Solidarität mit den Streikenden hatten sich viele Gewerkschafter und Delegationen anderer Metallbetriebe aus dem Rhein-Main-Gebiet und Rheinland-Pfalz eingereiht, darunter Aktivisten der Firmen Siemens in Offenbach, PFW Aerospace in Speyer und Mahle in Wölfersheim sowie Absolventen der gewerkschaftsnahen Europäischen Akademie der Arbeit in Frankfurt am Main.

In einem Grußwort griff Janine Wissler von der hessischen Linksfraktion den Verweis auf die im Grundgesetz geforderte Sozialbindung des Eigentums auf. »Wir müssen Privateigentum wieder in Frage stellen, wenn Unternehmer diesen Verfassungsartikel mit Füßen treten«, rief sie den Anwesenden zu und forderte ein gesetzliches Verbot von Massenentlassungen bei profitablen Firmen. »Die Politik ist hier gefordert, nicht wegzusehen, sondern klar Stellung zu beziehen«, so Wissler.

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