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Spannungen am Asowschen Meer
Eine russische Brücke zur Halbinsel Krim befeuert den Konflikt mit der Ukraine.
Nach der russischen Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges im Donbass ist der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine allgegenwärtig. Doch während sich die russische Kontrolle über die Schwarzmeerhalbinsel inzwischen etabliert hat und der Krieg im Donbass vor allem auf der Konfrontationslinie zwischen dem von der Ukraine kontrollierten Gebiet und prorussischen Separatisten weitergeht, gibt es derzeit einen weiteren - und fast unsichtbaren - Streitpunkt, der dennoch mit der Krim und dem Donbass zu tun hat.
Sowohl Russland als auch die Ukraine haben Zugang zum Asowschen Meer. Dieses ist jedoch per Wasser nur vom Schwarzen Meer aus durch die Straße von Kertsch zu erreichen. Seitdem Moskau allerdings die Krim annektierte, übernahm Russland auch die Kontrolle über die beiden Ufer. Mit Berdjansk im Regierungsbezirk Saporischschja und mit Mariupol, die größte Donbass-Stadt, die noch von Kiew aus verwaltet wird, hat die Ukraine zwei wichtige Häfen am Asowschen Meer. Die komplette Kontrolle über die Straße von Kertsch von Seiten Russlands hat also den Schiffsverkehr für die Ukraine vor allem im Handelsbereich bereits ab Frühjahr 2014 erschwert.
Von beiden Seiten hat es innerhalb der letzten vier Jahre reichlich Provokationen gegeben. In diesem Jahr erreicht die Eskalation am Asowschen Meer aber eine weitere Stufe. So wurde noch im März ein russisches Fischerboot von ukrainischen Grenzpolizisten in Berdjansk festgehalten - es folgten Geldstrafen für die Besatzungsmitglieder und ein Verfahren gegen den Kapitän wegen angeblich illegaler Einreise in die Ukraine. Moskau war damit nicht glücklich und setzte die beteiligten Grenzpolizisten prompt auf die internationale Fahndungsliste. Doch das Schlüsselereignis für die Eskalation ist die Eröffnung der Brücke über die Straße von Kertsch. »Russland wird diese Brücke noch nutzen müssen, um die Krim schnellstmöglich zu verlassen, wenn wir die Kontrolle wieder übernehmen«, sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko vor deren Eröffnung.
Das konkrete Problem ist: Unter die Brücke hindurch können aus Sicherheitsgründen nur Schiffe fahren, die nicht höher als 33 Meter sind - und damit erschwert Russland den Zugang zur ukrainischen Küste am Asowschen Meer deutlich. Kurz vor der Eröffnung hat Russland außerdem damit angefangen, öfter von einem aus dem Jahr 2004 stammenden Abkommen über die gemeinsame Nutzung des Meers Gebrauch zu machen. Dieses Abkommen bevollmächtigt die Grenzbehörden beider Länder Schiffe aus dem Ausland, die sich im Asowschen Meer befinden, zu kontrollieren. Seit Ende April unterzogen russische Grenzwächter fast 100 ausländische Schiffe, die zur ukrainischen Küste fuhren, einer Kontrolle. »Russland schafft damit gezielt Spannung in der Region«, heißt es aus dem ukrainischen Innenministerium.
Russland mache das demonstrativ, um Kiew zu zeigen, wer der Herr der Lage ist. Die russische Grenzpolizei, die dem Inlandsgeheimdienst FSB untersteht, nennt als Grund für die häufigen Kontrollen lediglich Sicherheitsbedenken und bestreitet damit die Vorwürfe, die am 10. Juli öffentlich wurden. Aber auch die Ukraine spricht von Sicherheitsbedenken - in einem etwas anderen Kontext. Russland habe dem ukrainischen Verteidigungsministerium zufolge die Präsenz seiner Marine bis auf 40 Schiffe erhöht. »Es ist auffällig und das macht uns Sorgen«, teilte das Ministerium in Kiew mit. Dass ein offener Konflikt im Asowschen Meer ausbrechen könnte, ist zwar eher nicht wahrscheinlich, dass sich die Verhältnisse dort jede Woche zunehmend anspannen, ist jedoch nicht zu übersehen.
In der Ukraine wird in Sachen Russland auch ein weiteres Thema diskutiert: Nachdem das Energieministerium in Kiew Gespräche mit der staatlichen russischen Atomholding Rosatom aufnehmen wollte, untersagte Ministerpräsident Wolodymyr Grojsman alle Verhandlungen der Regierungsmitglieder mit Russland - es sei denn, es liege eine Erlaubnis des Außenministeriums vor. Nach einer Verbesserung der Beziehungen zwischen Kiew und Moskau sieht es also bislang nicht aus.
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