Die Gegenwindkraft

Die Stimmung unter den Windkraftbauern ist schlecht wie lange nicht mehr. Betriebsräte rechnen damit, dass in fast der Hälfte aller Unternehmen Entlassungen anstehen

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine Branche bangt um ihre Zukunft und schlägt Alarm: Als »extrem angespannt« bezeichneten kürzlich Betriebsräte aus der Windindustrie in einer Umfrage der IG Metall Küste die wirtschaftliche Lage. Demnach rechnen zwei Drittel der Befragten mit Umsatzeinbrüchen. Künftig bessere Geschäfte erwartet nur noch jedes fünfte Unternehmen, vor vier Jahren tat das noch jedes zweite.

So schlecht war die Stimmung unter den Windkraftbauern schon lange nicht mehr. »Die Auswirkungen auf die Beschäftigten sind dramatisch. Sie spüren den Kostendruck durch die neu eingeführten Ausschreibungen«, sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste.

Ursache für die negative Stimmung ist der Paradigmenwechsel bei der Erneuerbaren-Förderung. Mit Jahresbeginn 2017 wurde die bis dahin geltende garantierte Einspeisevergütung für Ökostrom geändert. Seither bekommen nur noch solche neuen Anlagen die Förderung, die sich bei Ausschreibungen durchgesetzt haben. Dabei erhalten in der Regel nur die niedrigsten Gebote den Zuschlag. Das hat zu einem enormen Preisverfall geführt, der die Branche unter Druck setzt. »Heute weht ein zunehmend rauer Wind in den Betrieben«, sagt Lorenz Gösta Beutin, energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Der Kostendruck steige, es werde an Qualität, Service und Produktionsmitteln gespart.

Seit Anfang 2017 sind in der Branche bundesweit mehr als 2000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Künftig könnten es noch deutlich mehr werden. Windradhersteller wie Senvion, Powerblades oder Nordex haben mit Verweis auf das schwache Heimatgeschäft bereits Sparmaßnahmen angekündigt oder Mitarbeiter entlassen. Für dieses Jahr erwarten die befragten Betriebsräte, dass sich der Arbeitsplatzabbau in fast 40 Prozent der Unternehmen fortsetzen wird. »Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht verbessern, wird es in Deutschland kaum noch Windenergiefirmen geben«, warnt ein Betriebsrat.

Noch ist die durchschnittliche Auslastung der Betriebe mit 84 Prozent zufriedenstellend. Aber die Hälfte der Befragten rechnet mit einem Rückgang bei den Aufträgen. Lediglich die Betriebe, die in Service und Wartung tätig sind, erwarten auch künftig volle Auftragsbücher.

Die Branche fühlt sich von der Politik im Stich gelassen, da Bundes- und Landesregierungen den Zubau von Windanlagen beschränkt haben. In Boomjahren wie 2014 waren noch 4600 Megawatt hinzugekommen. Mit der Einführung der Ausschreibungen wurden auch die Neuinstallationen an Land auf 2800 Megawatt pro Jahr begrenzt, ab 2020 sollen es 2900 Megawatt sein. Auf See sollen bis 2020 Windkraftkapazitäten von insgesamt 6500 Megawatt installiert sein - Ende 2017 waren bereits Offshore-Anlagen mit 5387 Megawatt am Netz.

»Schon heute haben die Unternehmen hohe Exportraten von 60 bis 80 Prozent«, sagt Wolfram Axthelm vom Bundesverband Windenergie gegenüber »neues deutschland«. Doch um auch künftig bei der Technologie vorne zu sein, brauche es einen starken Heimatmarkt. »Noch hat die Politik es in der Hand«, mahnt Axthelm. Immerhin wolle die Große Koalition bis 2030 den Anteil der Erneuerbaren im Strommix auf 65 Prozent erhöhen. »Nun muss die Politik zeigen, wie sie dieses ambitionierte Ziel erreichen will.«

Dazu müsste der Ausbau der Windkraft und der Stromnetze deutlich anziehen. Zwar sieht der Koalitionsvertrag Sonderausschreibungen für Anlagen an Land von insgesamt 4000 Megawatt in den Jahren 2019 und 2020 vor. Doch bislang trödelt das zuständige Bundeswirtschaftsministerium bei der Ausgestaltung. »Dadurch gefährdet Minister Peter Altmaier weitere Investitionen, Standorte und Arbeitsplätze in der Zukunftsbranche Wind«, warnt Gewerkschafter Geiken.

An der Befragung durch die IG Metall haben sich Betriebsräte aus bundesweit 32 Unternehmen beteiligt, die mehr als 19 000 Arbeitsplätze repräsentieren. Dem Bundesverband Windenergie zufolge arbeiteten Ende 2016 mehr als 160 000 Menschen in der Windindustrie, davon 133 000 bei Wind an Land. Neuere Zahlen will der Verband erst im Laufe des Monats vorlegen.

Marktanalysten kommen zu einer ähnlichen Einschätzung wie die IG Metall. Nach Ansicht von Övermöhle Consult & Marketing, einer auf Windkraft spezialisierten Beratungsfirma in Hamburg, wird die »Konsolidierung« in der deutschen Windbranche voranschreiten. Vor allem kleine und mittelständische Projektentwickler seien davon betroffen. Der Markt werde dann von weltweit agierenden Konzernen dominiert. Den Grund sieht Övermöhle in den niedrigen Geboten bei den Ausschreibungen sowie dem daraus resultierenden Druck auf die Preise - und damit verbunden auf Anlagenbauer, Zulieferer und Dienstleister.

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