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Start zur echten Tour
Mit den ersten Etappen in den Alpen beginnen auch die Taktikspiele der Favoriten
Die Tour de France beginnt erst jetzt. Das klingt absurd, nach bereits mehr als 1500 gefahrenen Kilometern und dem Ausscheiden eines Klassementkandidaten wie Richie Porte wegen eines Sturzes noch vor dem ersten Kopfsteinpflasterabschnitt von Roubaix. Aber die neun Etappen bis Sonntag waren nur ein Aufgalopp - ein Vorgeschmack, eine Vorspeise. »Bei den klassikerähnlichen Etappen der ersten Woche kannst du die Tour zwar nicht gewinnen, aber du kannst sie bereits verlieren«, sagte Skys sportlicher Leiter Nicolas Portal gegenüber »nd«. Es ist ein Standardsatz, gesprochen vor jedem Teambus, im Schatten jeder Absperrung. So sehr er Standard ist, so wahr ist er aber auch.
Portals Mannen haben sich dabei noch am geschicktesten verhalten. Gut, ganz konnten sie ihren Teamleader Chris Froome nicht aus den Sturzturbulenzen heraushalten. Gleich am ersten Tag handelte er sich 51 Sekunden Rückstand ein. Auf dem Pflaster von Roubaix ging er erneut zu Boden, büßte da aber keine Zeit ein. Weil sein Team Sky beim Mannschaftszeitfahren exzellent dabei war, liegt er inmitten eines Achterfeldes von Favoriten, die nur 32 Sekunden trennen. Zu dieser großen Gruppe gehören der italienische Ex-Toursieger Vincenzo Nibali, der neben Froome zweite Giro-Tour-Double-Aspirant Tom Dumoulin aus den Niederlanden, der spanische Routinier Alejandro Valverde, Rafal Majka aus Polen, der Baske Mikel Landa - im letzten Jahr noch Froome-Adjudant bei Sky - sowie der Brite Adam Yates, Zwillingsbruder des famosen Giro-Belebers Simon Yates.
Sie alle haben Ambitionen auf einen Podiumsplatz. Das kann Gewähr sein für einen hochspannenden Wettkampf. Die Konstellation macht es jedem Attackierer aber auch schwer, weil mindestens die anderen sieben ihm hinterherjagen können. Es droht daher ein taktisches Patt.
Das könnte dann aufgelöst werden, wenn Kletterer angreifen, die im Gesamtklassement noch weiter zurückliegen - Männer also, die in der ersten Woche mehr Pech als Froome hatten. Dazu gehören die beiden Franzosen Romain Bardet und Warren Barguil, der Russe Ilnur Zakarin, vor allem aber die beiden Kolumbianer Rigioberto Uran und Nairo Quintana. Die beiden waren vor der ersten Alpen-Etappe an diesem Dienstag etwa eine Minute hinter Froome platziert. Treten sie an, vor allem Froomes Erzrivale Quintana, könnten die anderen Mitfavoriten sich anschauen und dann zum Titelverteidiger Froome blicken, nach dem Motto: »Chris, fahr du jetzt!«
Die Lücken, die dadurch gerissen werden, könnten zu Startrampen für die anderen werden. Das gilt insbesondere für die Etappen am Mittwoch und Donnerstag. Zwei Anstiege der höchsten Kategorie liegen da jeweils vor den Bergankünften von La Rosière und Alpe d’Huez. Wer Froome bezwingen will, muss hier zumindest versuchen, ihn zu erschüttern.
Der Sky-Kapitän kann sich seinerseits aber auch ganz ruhig verhalten. Denn weit vor allen anderen, eine knappe Minute vor den nächsten Verfolgern, liegt sein Landsmann und Co-Kapitän Geraint Thomas. Der Waliser fuhr die erste Woche fehlerlos. Er ging allen Stürzen aus dem Weg und profitierte von Skys Zeitfahrqualitäten. Zudem gewann er bei Bonussprints einige Sekunden. Er ist bereit zur automatischen Übernahme des Gelben Trikots in den Alpen. Thomas sollte allerdings auch schwach genug sein, um an den ganz steilen Rampen wieder hinter seinen Kapitän zurückzufallen. Ist Thomas nach Alpe d’Huez aber noch vor Froome, stellt sich plötzlich auch in diesem Rennstall die Kapitänsfrage. Das ist dann vielleicht die spannendste Frage dieser Tour.
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