600 Flüge gestrichen: Ryanair steht vor dem ersten Streiksommer

Beschäftigte organisieren sich zunehmend in Gewerkschaften und kämpfen gegen schlechte Arbeitsbedingungen

  • Christian Ebner
  • Lesedauer: 4 Min.

Täglich beklagt sich Ryanair im Kurznachrichtendienst Twitter über ausgefallene und verspätete Flüge. Die europäische Kommission müsse endlich etwas unternehmen gegen den Lotsenmangel und die Streiks in den nationalen Flugsicherungen, lautet die Dauerkritik der Iren. Doch deren Kunden müssen in diesem Sommer auch noch diverse Streiks des fliegenden Personals fürchten, das die Hauptreisezeit nutzt, um seine Ziele durchzusetzen.

Ryanair steckt in einem tiefgreifenden Wandel, seit sich Piloten und Flugbegleiter zunehmend in Gewerkschaften organisieren und europaweit vernetzen. Sie setzen sich für höhere Löhne, gegen Leiharbeit und für bessere Arbeitsbedingungen ein. Die einstmals strikt anti-gewerkschaftliche Airline hat sich schon im vergangenen Jahr zu einem Kurswechsel entschlossen und erste Verhandlungen mit den Beschäftigten aufgenommen. Jährliche Mehrkosten von bis zu 100 Millionen Pfund (112 Mio Euro) haben die Iren für das laufende Geschäftsjahr schon eingerechnet. Für den etwas sanfteren Kurs steht der von Malaysia Airlines geholte Organisationschef Peter Bellew, der manchen bereits als Nachfolger des Hardliners und Ryanair-Chefs Michael O'Leary gilt.

Zu einem Erfolg haben die seit Wochen auf nationaler Ebene geführten Verhandlungen bislang allerdings nicht geführt. Im Detail zeigen sich die Ryanair-Manager extrem hartleibig, berichtet beispielsweise Markus Wahl von der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit. Kleinteilig wird beispielsweise über Freistellungen für die Mitglieder der Verhandlungskommission gestritten, bereits vereinbarte Termine verstreichen ungenutzt. Bellew und Personalchef Eddie Wilson berichten hingegen frohgemut von konstruktiven Gesprächen.

Einem ersten Piloten-Warnstreik zu Weihnachten in Deutschland und einem mehrtägigen Ausstand der Kabinencrews zu Ostern in Portugal folgen nun in der Hauptreisezeit im immer engeren Takt kleinteilige Arbeitskämpfe irgendwo im weiten Ryanair-Reich. Für Freitag hat die Fluggesellschaft bereits 24 Flüge zwischen Irland und Großbritannien abgesagt, weil die irischen Piloten bereits ein zweites Mal die Arbeit niederlegen.

In der kommenden Woche wollen sie das auch noch einmal am Dienstag tun, bevor die Flugbegleiter in Italien, Spanien, Portugal und Belgien am Mittwoch und Donnerstag folgen. An beiden Tagen hat Ryanair jeweils 600 von mehr 2400 geplanten Flügen abgesagt. Betroffen sind je rund 50.000 Passagiere. Es gehe um täglich 200 Flüge von und nach Spanien sowie jeweils 50 für Portugal und Belgien, zusammen rund 12 Prozent des gesamten Angebots für ganz Europa.

In diesen drei Ländern haben die jeweiligen Gewerkschaften die Flugbegleiter bei Ryanair aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Ob deutsche Flughäfen von den Ausfällen betroffen sind, konnte die Airline nicht sagen. Betroffene Passagiere würden informiert. Die irischen Piloten der Gesellschaft wollen an diesem Freitag (20.7) und am kommenden Dienstag (24.7.) ebenfalls streiken.

Die scheinbar lokalen Ausstände können jeweils auch Folgen für Passagiere in anderen Ländern haben, denn die Umläufe der Jets gehen natürlich jeden Tag quer durch das Netz. Ein Jet, der morgens in Italien wegen Personalmangels stehen bleibt, kann mittags auch nicht in Deutschland oder England zu einem Folgeflug abheben.

»Ryanair droht ein Dauerkonflikt, in dem irgendwo immer gestreikt wird«, sagt Christoph Drescher, Präsident des europäischen Kabinenbeschäftigtenverbandes Eurecca, der einen Teil der Flugbegleitergewerkschaften vereinigt. Er glaube daher, dass die Gesellschaft schon aus eigenem Interesse diese offene Flanke ihres Geschäftsmodells schließen wird.

Dem führenden Billigflieger Europas wird seine mittlerweile erreichte Größe mit mehr als 13.000 Beschäftigten und seine kontinentweite Aufstellung mit 86 Basen und 37 angeflogenen Ländern zum Problem, denn er trifft auf eine extrem zersplitterte Gewerkschaftslandschaft. Einkommen und Sozialvorschriften sind nur auf nationaler Ebene tariflich regelbar, andere Themen wie Beförderungspläne oder Einsatzregeln wären wohl am besten auf Konzernebene aufgehoben. Größere Beschäftigtengruppen hat Ryanair in Irland, Großbritannien, Spanien, Deutschland und Italien. Den Managern, so sagt es zumindest Eurecca-Chef Drescher, fehle es dabei noch im erschreckenden Maß an Kenntnissen des jeweiligen Sozialrechts.

In Deutschland stimmen die Ryanair-Piloten in der Vereinigung Cockpit bis zum Ende dieses Monats über einen unbefristeten Streik ab. Ihre Forderungen orientieren sich an den Tarifbedingungen bei den Konkurrenten Tuifly und Easyjet. Bei den deutschen Flugbegleitern balgen sich noch die Gewerkschaften ver.di und Ufo wie bei der Lufthansa um den Vertretungsanspruch. Am Ende wird Ryanair voraussichtlich mit beiden Organisationen sprechen müssen, weil jede einen relevanten Teil des streikfähigen Personals vertritt. dpa/nd

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