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Wenn ein Gedenkbild zum Anklagevorwurf wird

Münchner Aktivist droht Gerichtsverhandlung, weil er ein YPG-Foto gepostet hatte / Laut Behörden belegt ein weiteres Posting zu den Suruç-Ermordeten seine PKK-Sympathie

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Ob Hausdurchsuchungen, Polizeiübergriffe auf Demonstrationen oder Hunderte Verfahren wegen Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken - das Zeigen der Flagge der syrisch-kurdischen Miliz YPG kann umfangreiche Repression in Deutschland nach sich ziehen. Vor allem bayerische Behörden sind dermaßen engagiert bei der Strafverfolgung, dass die Verhältnismäßigkeit und die Begründungen ihrer Maßnahmen zum Teil nur noch schwer nachzuvollziehen sind.

So auch im Fall von Benjamin Ruß. Im vergangenen Sommer stürmte ein Sondereinsatzkommando die Wohngemeinschaft des Aktivisten in München, man ermittelte gegen ihn, weil er auf Facebook ein YPG-Symbol gepostet hatte. Mehrere elektronische Geräte wurden konfisziert. Als der »Bayerische Rundfunk« über den Fall mit der Illustration einer YPG-Fahne berichtete, wurde selbst gegen einen Leser ermittelt, der den Artikel auf Facebook teilte.

Im Januar nahm dann das Amtsgericht München den Strafbefehl gegen Ruß wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz zurück. Das Gericht konnte keinen Nachweis erkennen, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt des Postings, dem 9. März 2017, von dem Rundschreiben des Bundesinnenministeriums vom 2. März 2017 Kenntnis hatte. Die Behörde hatte damals in einer schwammigen Regelung festgelegt, dass auch Symbole der - noch immer in Deutschland legalen - YPG verboten werden können, wenn sie die PKK »ersatzweise für ihre Zwecke« verwendet.

Dafür, dass die YPG-Flagge in eben jenem Sinn von Ruß verwendet wurde, fehlte dem Amtsgericht ebenso der Nachweis. Die Münchner Staatsanwaltschaft gab sich damit jedoch nicht zufrieden. Sofort folgte eine Beschwerde gegen die Rücknahme des Strafbefehls.

Die Strafkammer des Landgerichts München hat dieser nun stattgegeben. In dem »nd« vorliegenden Beschluss wird festgelegt, dass der Fall damit zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht München zurückgehen muss. Die dortigen Richter können jetzt entweder den zuvor beantragten Strafbefehl erlassen oder einen Termin für eine Verhandlung anberaumen.

Die 17-seitige Begründung des Beschlusses, die praktisch für eine Wesenseinheit der YPG mit der PKK argumentiert, hinterlässt offene Fragen. »Ebenso wie die meisten anderen von der PKK verwendeten Fahnen und Symbole zeigt die YPG-Flagge die Farben rot, gelb und grün sowie das Motiv des fünfzackigen sozialistischen Sternes«, heißt es etwa. Besagte Farben gelten dabei jedoch als allgemeine Farben der kurdischen Bewegung und auch ein fünfzackiger Stern lässt sich bei vielen Befreiungs- und Guerillaorganisationen beziehungsweise Staaten als Symbol finden.

Ruß’ vermeintliche PKK-Unterstützung soll zudem durch das Posten einer roten Nelke auf schwarzem Hintergrund mit dem Schriftzug »Suruç« bewiesen werden. Mit dem Gedenkbild wollte der Aktivist offenbar auf Facebook an die 34 linken Jugendlichen und Rojava-Unterstützer erinnern, die 2015 bei einem Selbstmordanschlag durch den IS in der türkischen Grenzstadt umgebracht worden sind. »Das Einstellen dieses Symbols deutet daraufhin, dass sich der Angeschuldigte mit den Tätigkeiten und Belangen der PKK [...] auseinandersetzt«, heißt es dagegen in dem Beschluss.

Die abenteuerliche Deutung: »Die Stadt Suruç steht mithin augenscheinlich, zumal mit einer Nelke als sozialistischem Symbol, für die Erinnerung an die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen PKK, türkischem Staat und Islamischem Staat in den Kurdengebieten der Ost-Türkei, an denen auch die YPG maßgeblich beteiligt ist.« Als Quelle für ihre Informationen verweist die Strafkammer auf Wikipedia.

Benjamin Ruß ist sich der Bedeutung seiner Strafverfolgung bewusst. »In München könnte das ein größerer Fall werden, wo die Kriminalisierung kurdischer Aktivisten und ihrer Unterstützer verhandelt wird.« Der Aktivist vermutet gegenüber »nd«, dass der Verfolgungseifer der Behörden nicht nur mit Druck aus der Türkei zu erklären ist. »Hier wird generell versucht, die internationalistische Bewegung einzuschüchtern und linke Strukturen zu bekämpfen.«

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