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- Gewalt bei 1.-Mai-Demo in Frankreich
Macron-Vertrauter schlägt auf Demonstranten ein
Frankreichs Präsident gerät wegen Prügelattacke seines Sicherheitsmitarbeiters unter Druck / Innenminister Collomb vor Senatskommission geladen
1. Mai in Frankreich, Place de la Contrescarpe, im fünften Arrondissement in Paris. Die französische Polizei marschiert in ihrer Demoausrüstung zu einem Haus. Unter ihnen ein Mann, der etwas heraussticht. Er hat zwar einen Polizeihelm auf dem Kopf, doch sonst trägt er keine Uniform, sondern Hoodie und Stoffjacke zur dunklen Hose. Ungewöhnlich für einen Polizisten.
Der Mann agiert ganz wie die anderen Beamten – und geht mit ihnen gegen die Demonstrierenden vor. Ein Video zeigt ihn, wie er eine junge Frau abführt. Er lässt erst von ihr ab, als er sieht, dass er an anderer Stelle gebraucht wird: Wenige Meter von ihm entfernt weigert sich ein Mann, sich von den Polizisten wegtragen zu lassen. Der Hoodie-tragende Mann rennt zu dem Demonstranten und zieht ihm im Schwitzkasten von hinten weg, hält ihn an Hals und Mund fest. Als dieser sich widersetzen will, schlägt er ihm auf auf den Kopf.
Das Pikante daran: Wie die Zeitung »Le Monde« recherchierte, ist der ungewöhnliche Polizist in der Tat kein Beamter. Bei dem Mann handelt es sich um Alexandre Benalla, einen engen Mitarbeiter des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Die Staatsanwaltschaft leitete am Donnerstag ein Ermittlungsverfahren gegen den Sicherheitsmitarbeiter ein. Sie wirft Benalla unter anderem vor, als öffentlicher Amtsträger Gewalt angewendet und sich als Polizist ausgegeben zu haben. Letzteres kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis und einem Bußgeld von 15.000 Euro bestraft werden.
Benalla war während des französischen Präsidentschaftswahlkampfs im vergangenen Jahr für Macrons Sicherheit zuständig und arbeitete nach dessen Wahl seit Mai 2017 im Elysée-Palast. Der Reservist der Gendarmerie war zuvor auch für den ehemaligen Präsidenten François Hollande tätig gewesen, jedoch wegen »Fehlverhaltens« suspendiert worden.
Intern war der Vorfall in der bei Touristen beliebten Rue Mouffetard auf der Rive Gauche bereits bekannt, berichtet AFP. Benalla wurde nach Angaben der Präsidentschaft für zwei Wochen ohne Bezahlung suspendiert und in die Verwaltung versetzt statt für die Sicherheit auf Macrons Reisen zu sorgen. Am 1. Mai habe er die Erlaubnis zur »Beobachtung der Polizeioperationen« gehabt.
Der Einsatz Benallas mausert sich derweil zu einem innenpolitischen Skandal. Innenminister Gérard Collomb muss sich zu Beginn der kommenden Woche vor dem Senat zu dem Vorfall äußern. Auch die Gesetzeskommission will Aufschluss über die Umstände des Einsatzes von Benalla bei der diesjährigen Pariser Demonstration zum 1. Mai. Dort soll unter anderem die mögliche Zusammenarbeit der Polizei mit Benalla, der selbst kein Polizist ist, aber früher als privater Leibwächter arbeitete, thematisiert werden.
Der Vorsitzende der Linkspartei La France insoumise (LFI, Widerständiges Frankreich), Jean-Luc Mélenchon, verlangte die Einleitung eines Strafverfahrens. Er begrüßte die Forderung der sozialistischen Opposition, Macron möge sich vor der Nationalversammlung äußern. Außerdem kündigte Mélenchon an, sich im Parlament für ein Misstrauensvotum gegen die Regierung einsetzen zu wollen.
Präsident Macron ging auf Fragen zu dem Vorfall zunächst nicht ein. Am 1. Mai hielt sich der Präsident in Australien auf. Gewalt bei den Demonstrationen verurteilte er damals in einem Tweet und kündigte an, es werde alles getan, »damit die Verantwortlichen identifiziert und für ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden«.
Nach Regierungsangaben hat auch ein weiterer Mann im Dienste des Präsidenten bei den Demonstrationen am 1. Mai seine Kompetenzen überschritten. Die Zusammenarbeit mit diesem Angestellten der Regierungspartei La République en Marche (LREM) sei beendet worden, sagte ein Regierungssprecher.
Der Nachrichtensender BFM berichtete unterdessen, Benalla sei diese Woche wieder als Sicherheitsmitarbeiter eingesetzt worden - während der Siegesparade auf den Champs Elysée zur Feier der französischen Nationalelf nach deren Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland. Agenturen/nd
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