Reden ist Macht
Lena Tietgen meint, dass Frauen Mut brauchen, um Führung zu übernehmen
Man sollte meinen, dass Frauen in Führungspositionen im sozialen, pädagogischen und psychologischen Bereich eine Selbstverständlichkeit sind. Doch dem ist nicht so. Dass Männer die Verdiener sind, ist in unserer Kultur immer noch stark verankert, und wer im sozialen Bereich Geld verdienen möchte, muss sich schon genau überlegen, ob er den richtigen Beruf ergriffen hat. Zu schlecht ist hier das Geld-Leistungsverhältnis.
Alte Kulturmuster greifen aber noch tiefer. Die britische Historikerin und Feministin Mary Beard geht davon aus, dass der Mann durch das Verhängen eines Schweigegebots für Frauen seine Macht festigt. Dieses Schweigegebot, so Beard, konstituiere unsere Kultur. Das Muster finde sich bereits in Homers »Odyssee«, in der Telemachos seine Mutter Penelopes anwies, sich zurückzuziehen, da die Rede die Sache der Männer sei.
Auch wenn Beards Aussagen drastisch erscheinen mögen, ist ihnen etwas abzugewinnen. Denn Sprache erlaubt Präsenz und Kommunikation, sie schafft den öffentlichen Raum, in dem präsentiert und ausgefochten wird. Mittels Sprache werden Regelungen getroffen, Institutionen begründet und geführt. Wer über die Sprache im öffentlichen Raum verfügt, herrscht.
All dies ist Voraussetzung für Leitungsarbeit, und dies auch im pädagogischen Bereich. Frauen brauchen Mut, um in diese Domäne einzubrechen. Sie brauchen Mut, ihr Kulturmuster der Sprachlosigkeit aufzubrechen und Mut, sich den Reaktionen der Männer auszusetzen. Es hat Jahrtausende gebraucht, dass Frauen Zugang zur Bildung bekamen. Nun können sie sie nutzen für Aus- und Weiterbildung, für Inanspruchnahme und Behaupten von Quoten, für das sich Zusprechen von Mut zur Leitung. Gerade in sozialen, pädagogischen und psychologischen Berufen.
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