Deutschland überzieht sein Umweltkonto

Martin Ling über drei Erden für ein Land, das maßlos wirtschaftet

Deutschland ist der Welt voraus: Es hat seinen Erdüberlastungstag 2018 mit dem 2. Mai längst hinter sich, während er global am 1. August ansteht. Voraus zu sein, ist in diesem Kontext kein Vorzug, sondern ein Hinweis auf überdurchschnittlich maßloses Wirtschaften. Denn der Erdüberlastungstag beschreibt den Zeitpunkt im Jahr, an dem die natürlichen Ressourcen in so großem Umfang verbraucht sind, dass sie sich in der verbleibenden Zeit nicht mehr regenerieren können. Und dieser Zeitpunkt rückt immer weiter nach vorne: 1987 lag er noch am 19. Dezember. Im vergangenen Jahr bereits am 2. August, und nun ist er einen weiteren Tag nach vorne gerückt.

Für die Erdüberlastung wie für den Klimawandel in erster Linie verantwortlich sind die großen, alten Industrienationen, die USA, Frankreich, Deutschland, Japan. Dem aufstrebenden Schwellenland China kommt aufgrund seiner schieren Größe inzwischen ebenfalls eine tragende Rolle zu.

Deutschlands Ruf als Vorreiter im Klimaschutz ist bei Lichte betrachtet mehr als zweifelhaft: Würden alle Länder so haushalten wie Deutschland, wären gut drei Erden nötig - nur die USA sind mit fünf Erden maßloser.

Abgesehen von der Energiewende, die wenigstens auf den Weg gebracht wurde, ist von einem substanziellen Umsteuern in Deutschland nichts zu sehen: Die Emissionen im Straßenverkehr nehmen seit Jahren zu, und die Autobauer genießen die Protektion der Bundeskanzlerin Angela Merkel, daran hat auch der Dieselskandal nichts geändert. Aus Sicht der Erdüberlastung ist eine Abkehr vom fossilen Modell unumgänglich und dringlicher denn je. Wenn Deutschland dort der Welt vorauseilte, wäre dies ein Vorzug. In Sicht ist das nicht.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.