Scholz jagt online Steuern nach
Kabinett beschließt Gesetz zu digitalen Marktplätzen
Bundesfinanzminister Olaf Scholz will dem Onlinehandel künftig genauer auf die Finger schauen: »Wir beenden die illegale Praxis mancher Händler auf elektronischen Marktplätzen, die Umsatzsteuer hinterziehen und sich dadurch unlautere Wettbewerbsvorteile verschaffen«, ließ der SPD-Mann am Mittwoch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verlautbaren. Dafür ließ er sich vom Bundeskabinett einen Gesetzentwurf absegnen, der die Regeln für Onlinehandelsplattformen wie Ebay oder Amazon verschärft.
Kommt das Gesetz schnell genug durch Bundestag und Bundesrat, dann müssen die digitalen Marktplätze bereits ab 1. Januar 2019 von den bei ihnen aktiven Händlern unter anderem Name, vollständige Anschrift, Steuernummer, Versand- und Lieferadresse, Zeitpunkt und Höhe des Umsatzes erfassen. Vor allem aber sollen Plattformen künftig für von den Händlern nicht entrichtete Umsatzsteuern haften. Es ist nämlich die Rede von Hunderten Millionen Euro, die dem Fiskus jährlich durch die Lappen gehen.
Der Onlinehandel hat nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) mit einem Wert von 53 Milliarden Euro bereits einen Anteil von zehn Prozent am Gesamthandel. Über Plattformen wird mehr als die Hälfte des Onlinegeschäftes abgewickelt. Beim HDE indes kommt Scholz’ Initiative prinzipiell auch gut an. »Die staatlichen Stellen müssen schnellstmöglich effektiv in der Praxis sicherstellen, dass auch Onlinehändler aus Nicht-EU-Ländern ihre Umsatzsteuer ordnungsgemäß bezahlen. Ansonsten benachteiligt das einheimische Händler, die ihre Steuern korrekt abführen«, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Denn als schwarze Schafe werden in der Diskussion hauptsächlich Händler aus Fernost dargestellt.
Doch solch schwarze Schafe gibt es offenbar auch unter den heimischen Onlinehändlern genügend. Denn die Meldepflichten sollen sowohl für Händler aus dem Ausland als auch aus dem Inland gelten. Und das wiederum finden die Branchenlobbyisten nicht gut. »Da entsteht neue Bürokratie für Plattformen und Händler, die schwer zu rechtfertigen ist«, kritisiert Genth.
Bitcom, der Lobbyverband für die digitale Wirtschaft, malt ebenso das Bürokratiemonster an die Wand: »Die geplanten umsatzsteuerlichen Pflichten treffen ausnahmslos alle Akteure im Onlinehandel in Deutschland. Dies ist weder zielgerichtet noch angemessen«, meint Bitcom-Steuerexperte Thomas Kriesel. Zudem seien die notwendigen Prozesse in den Finanzämtern zur Erteilung des Registrierungsnachweises noch nicht aufgesetzt. »Es ist zu befürchten, dass Onlinehändler mehrere Wochen auf ihren Regis- trierungsnachweis warten müssen«, so Kriesel. »Besonders kritisch« sieht der Digitallobbyist es indes, dass die Onlinehändler erst mal gute alte Papierdokumente ausfüllen sollen.
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