Gedrückte Stimmung nach WM-Aus
Die deutschen Hockeyspielerinnen blicken nach ihrer Niederlage im Viertelfinale gegen Spanien mit gemischten Gefühlen in die Zukunft
Nach und nach schlurften die deutschen Hockeyspielerinnen mit tiefen Ringen unter den Augen in den Frühstücksraum des noblen Grange City Hotels an der Tower Bridge. Die Nacht hatten die »Danas« genutzt, um den Schmerz über das enttäuschende WM-Aus im Viertelfinale gegen Spanien zu betäuben: Die letzten verließen in den frühen Morgenstunden die Hotelbar.
Der Blick nach vorne fiel in London allen schwer. Doch er ist notwendig, denn ihnen stehen ein straffes Programm und eine ungewisse Zukunft bevor. »Es ist ein absoluter Albtraum«, sagte Mittelfeldspielerin Cecile Pieper am Tag nach der 0:1-Niederlage, und Anne Schröder führte aus: »Uns geht es einfach immer noch beschissen.« Stürmerin Charlotte Stapenhorst wirkte immer noch ungläubig: »Du wachst nach so einem Tag auf und weißt einfach nicht, was du denken sollst.«
Die Stimmung war auch am Donnerstagmorgen noch gedrückt. Denn bis zum ersten K.-o-Spiel hatte die junge Mannschaft als Kollektiv mit starken Individualisten in der Vorrunde überzeugt. »Vielleicht war der Druck doch zu groß. Aber heute fängt die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele an«, sagte Bundestrainer Xavier Reckinger.
Um dort im richtigen Moment abliefern zu können, benötige die Mannschaft aber »mehr Zeit zusammen«, sagte der 34-Jährige, der erst seit vergangenem Oktober im Amt ist. »Wir hatten vor dem Turnier insgesamt nur 28 Tage gemeinsam.« In Deutschland wird viel Wert auf die Vereinsstruktur und das Ligasystem gelegt. Das ist in Reckingers Heimatland Belgien anders: »Die anderen Nationen verbringen doppelt, teilweise dreimal so viel Zeit zusammen.«
Seine Forderung wird im nächsten Jahr dank der sogenannten Pro League wahr. Die Spielerinnen verbringen drei Wochen am Stück zusammen und absolvieren in dieser Zeit drei Länderspiele gegen unterschiedliche Nationen - zum Teil auf unterschiedlichen Kontinenten.
So reist die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) zu Beginn des nächsten Jahres im Wochenrhythmus zuerst in Australien, dann geht es Richtung Neuseeland, ehe Argentinien und China auf der Agenda stehen.
Was für die Spielpraxis förderlich ist, bedeutet für die Amateursportlerinnen allerdings puren Stress. Die Kombination aus Studium oder Beruf und Hockey wird im nächsten Jahr kaum möglich sein. Außerdem verbringen die Nationalspielerinnen kaum noch Zeit mit ihren Vereinsmannschaften. Sie sind bei den Bundesligaspielen zwar da, verpassen aber die meiste Zeit des gemeinsamen Trainings.
Hinzu kommt, dass die Hockeyspielerinnen nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der WM um ihre Eliteförderung bangen müssen. Denn um diese weiter zu beziehen, hätten die DHB-Frauen unter die ersten vier kommen müssen. »Das ist alles etwas viel gerade. Das unerwartete Aus, dann der Gedanke, seine Wohnung vielleicht nicht mehr bezahlen zu können«, sagte Verteidigerin Selin Oruz.
Auch die interne Struktur bleibt zunächst ungewiss. Bis Ende des Jahres muss Reckinger zumindest auf Pieper und Innenverteidigerin Nike Lorenz wegen eines Auslandssemesters in den USA verzichten. Center Jana Teschke geht auf Weltreise. Ob die 28-Jährige und einige andere der älteren Spielerinnen weitermachen, ist offen. Die 32 Jahre alte Kapitänin Janne Müller-Wieland war sich hingegen schon direkt nach dem Spiel sicher: »Mit so einem Scheiß höre ich garantiert nicht auf.« nd/SID
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