Nur Taschengeld für NS-Opfer im Heim
Familie von Ludwig Baumann soll Geld zurückzahlen / LINKE kündigt parlamentarische Initiative an
Die Nachricht vom Tod Ludwig Baumanns ist noch keinen Monat alt. Der langjährige Vorsitzende der »Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz« hatte bis ins hohe Alter dafür gekämpft, dass Wehrmachtsdeserteuren und anderen NS-Opfergruppen endlich gesellschaftliche Genugtuung widerfuhr. Diffamierung und Herabsetzung schienen beendet, als in mehreren Stufen 1998, 2002 und 2009 die Rehabilitierung, am Ende auch die der angeblichen Kriegsverräter, erfolgte. Jetzt zeigt sich, wie brüchig diese vermeintliche Anerkennung weiterhin ist. Und es zeigt sich ausgerechnet am Fall Ludwig Baumanns.
Mit Datum vom 17. Juli 2018 teilte die Zolldirektion in Köln Baumann mit, dass seine Opferrente gekürzt werde und er bereits unberechtigt 4157,46 Euro erhalten habe. Grund sei sein Umzug im März 2017 in ein Pflegeheim. Die Härterichtlinien des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes sehen für Heimbewohner nur ein sogenanntes Heimtaschengeld vor, das sich derzeit auf 352 Euro beläuft - rund 300 Euro weniger, als Baumann zuvor erhielt. Dem 96-Jährigen blieb diese Erkenntnis hoffentlich erspart, denn er verstarb einige Tage, bevor die amtliche Mitteilung verfasst wurde. Die Generalzolldirektion Köln erläutert darin weiter, dass die Beihilfe bis zur Tilgung der Schuld eingestellt werde - bis zum 30. April 2019. Ein zweites Schreiben ging wenig später an Baumanns Sohn Andre. Darin wird die Rückzahlung von 3453,46 Euro gefordert - der Behörde sei die Todesnachricht jetzt bekannt geworden. Die Familie habe nun das Geld zurückzuzahlen, reduziert um zwei Monatsbeträge, weil das Amt die Zahlungen bereits im Mai eingestellt habe.
Die Bundesvereinigung der NS-Militärjustizopfer verlangt empört eine Gesetzeskorrektur; NS-Opferrenten müssten lebenslang ungekürzt bleiben. Und die LINKE im Bundestag hat sich das Anliegen bereits zu eigen gemacht. »Wir fordern, dass die Opferrenten für Heimbewohner nicht gekürzt werden und das Finanzministerium auf jegliche Rückzahlungsforderungen verzichtet«, erklärten Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer, und Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie kündigten eine parlamentarische Initiative an. Nur weil die Betroffenen ins Pflegeheim müssten, werde ihr erlittenes Unrecht ja nicht kleiner.
In Auschwitz-Birkenau fühlte sich am Donnerstag die EU-Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatovic veranlasst zu mahnen: Über die Pflicht zum Erinnern hinaus gelte die Pflicht zu handeln. Erinnern allein reiche nicht, um sich dem Hass entgegen zu stellen, der so viel Leid über Menschen gebracht habe, nur weil sie Juden oder Roma waren oder nicht in die monströsen Pläne des Nazi-Regimes gepasst hätten. Sie sagte es anlässlich des Roma-Gedenktages am 2. August. Ludwig Baumann hätte ihr zugestimmt.
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