Die verschwundene Kanzlerin

Bernd Zeller denkt darüber nach, warum Angela Merkel sang- und klanglos im Urlaubs-Nirgendwo abgetaucht ist

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Unser heutiger Bericht behandelt das Verschwinden der Kanzlerin und die darüber verbreiteten Theorien. Es ist zwar noch nicht so, dass Frau Merkel als verschollen gilt, schließlich hat sie sich formal in den Urlaub abgemeldet, allerdings die Presse sowie die Öffentlichkeit im Unklaren darüber gelassen, wo sich ihr Urlaubsort befindet. Wie es scheint, war dies nur eine Ablenkung, im journalistischen Fachjargon Nebelkerze oder Täuschungsmanöver genannt, denn dann hätte sie ja immerhin an irgendeinem Urlaubsort eingetroffen sein müssen. Sie ist aber tagelang nirgendwo entdeckt worden.

In Zeiten sozialer Netzwerke lassen Vermutungen über die wahren Hintergründe nicht lange auf sich warten. Es gibt davon so viele und so widersprüchliche, dass sie gar nicht alle falsch sein können.

Empirisch fundiert scheint schon einmal die Demoskopie-Theorie. Kaum ist die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende weg, fällt die Union in Wahlumfragen unter 30 Prozent. Damit sollte allen, die in die Belange der CDU eingebunden sind, klar sein, woran sie nicht einmal denken sollen.

Logisch wäre, dass die Kanzlerin im Kanzleramt untergetaucht ist, auch, damit sich Olaf Scholz nicht zu sehr an seine praktizierte Vizekanzlerschaft gewöhnt.

Der beliebteste Politiker indes ist Heiko Maas, der Saarland-Genscher und Minister für Reisetätigkeit. Er ist auch häufig weg, allerdings hat man meistens Informationen darüber, wo er gerade unterwegs ist. Aber nicht immer - manchmal soll man nicht so genau erfahren, was diplomatisch los ist. Jedenfalls ist meistens der Minister, der sich am wenigsten in Deutschland aufhält, der beliebteste. Eine Ausnahme bildete nur Guido Westerwelle, weil man ihm einfach nicht abnahm, dass er gar nicht in Berlin wäre.

Heiko Maas ist überdies der bestangezogene Minister, genauer gesagt wurde er in der letzten Legislaturperiode dazu gekürt, als er für das Ressort Verbraucherschutz zuständig war. Von einem Verbraucherschutzminister erwartet man, dass er mit den Anzügen Testläufe unternimmt. Mit der so gewonnenen Kompetenz konnte er sich aufs diplomatische Parkett wagen. Da dies zu Merkel nicht gepasst hätte, bleib ihr nur die Option des Verschwindens.

Gleichwohl muss die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sie die Auszeit für urlaubsfremde Zwecke nutzt. Vielleicht das Verbüßen einer Haftstrafe, so was wird ja häufig als längerer Urlaub vermittelt. Es ist zwar nicht bekannt, dass ein Prozess gegen sie stattgefunden hätte oder dass ihre Immunität aufgehoben worden wäre, aber man weiß ja nie. Es kann aber auch sein, dass Urteil und Strafvollzug zum Beispiel in der Türkei stattfänden. Dann erfahren wir hier aus Gründen der Staatsräson nichts. Möglich wäre ebenso, aber dazu müssten wir etwas über Merkels politische Ausrichtung wissen, dass sie mit diesem cleveren Schachzug den Staatsbesuch von Erdogan abwenden will. Wenn die Kanzlerin nicht da ist, bliebe ihm nur ein Herumschreiten mit Steinmeier, dem Bundespräsidenten mit lediglich repräsentativer Kompetenz, aber diese Schmach täte Erdogan sich nicht an. Er weiß, wann es peinlich wird.

Zu den Täuschungsmanöver-Theorien gehört auch die Auffassung, die Kanzlerin wolle mit ihrem Verschwinden die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und, als Dienst an den Parlamentariern, damit davon ablenken, dass auch die Abgeordneten Ferien haben, und das bei vollen Bezügen. Sie bekommen Diäten und Entschädigungen für eine Verantwortung, von der sie gerade beurlaubt sind. Es wäre daran zu denken, dass die Mitglieder des Bundestages und der Landtage in der Ferienzeit ihr Mandat ruhen lassen müssten und für Nichts auch keine Vergütung erhielten, bis sie nach der Sommerpause erneut in das Beschäftigungsverhältnis übernommen werden. Genau so wie es bei vielen Lehrern oder Theaterschauspielern der Fall ist. Parlamentsabgeordnete sind ja irgendwas dazwischen. Diese Theorie scheint die plausibelste zu sein.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.