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Ein Ort zum Lernen und Erinnern

Bald soll das ehemalige Gefängnis der Volkspolizei in der Keibelstraße für Schulklassen zugänglich sein

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 2 Min.

Der erste Eindruck des Zellentrakts ist beklemmend. Wände und Boden grau, Türen mit dicken Eisenriegeln, damit niemand entkommt. Innen blättert die Farbe langsam ab. Auf einer Wand im Gang steht: »Rauchen, Essen und Trinken in den Gängen strengstens verboten«. Doch das alles ist nicht echt. Zumindest nicht authentisch. Denn so sieht der Zellentrakt im ehemaligen Polizeigefängnis in der Keibelstraße in Mitte erst aus, seit in den 1990er Jahren Filmteams dort einiges verändert haben. »Denen war es vorher wohl zu farbenfroh, um einen DDR-Film zu drehen«, sagt Martin Brendebach, bei der Senatsverwaltung für Bildung zuständig für Geschichte und politische Bildung.

Das Erdgeschoss des Gebäudes wird ab Dezember Lernort für Schulklassen sein. Ziel sei es, dass 300 Klassen im Jahr das Gebäude besuchen. Der Verein Agentur Bildung wurde mit der Ausarbeitung eines Lernkonzepts beauftragt, wie Schulstaatssekretär Mark Rackles (SPD) am Freitag bei einer Führung durch das Gefängnis mitteilt. Die CDU kritisierte, dass nicht die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, den Zuschlag bekommen hatte, die ebenfalls zu den Bewerbern gehörte.

Parallel dazu trifft sich ab Ende August ein Expertengremium, um ein Konzept für die Umwandlung des gesamten Gebäudes zu einer Gedenkstätte zu entwickeln. Diese Doppelnutzung als Lern- und Erinnerungsort hatte der rot-rot-grüne Senat im Februar nach jahrelanger Diskussion beschlossen. Laut Rackles sei damit aber frühestens 2023 zu rechnen, da für die Öffnung des Gesamtkomplexes für die Öffentlichkeit Umbauten erforderlich sein werden.

Im Frühjahr hatte unter anderem der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Tom Sello, kritisiert, die Schulverwaltung habe bei der Sanierung des Erdgeschosses gegen den Denkmalschutz verstoßen. Prüfungen der Eigentümerin, der landeseigenen BIM, hätten jedoch ergeben, dass die meisten Veränderungen durch die Filmteams vorgenommen wurden, so Rackles. »Wir haben versucht zu retten, was noch zu retten war«, sagt auch Martin Brendebach.

Das Gebäude in der Keibelstraße war zu DDR-Zeiten das Präsidium der Volkspolizei. Daran angegliedert befand sich der Gefängnistrakt, in den zumeist politische Häftlinge nach der Verhaftung gebracht wurden. Dort saßen sie zunächst in Untersuchungshaft zur »Klärung eines Sachverhalts«. Von dort aus wurden sie dann in andere Haftanstalten überführt. Zu den prominenten Insassen gehörten City-Sänger Toni Krahl und der Maler Norbert Bisky.

Bis 1996 wurden die oberen Stockwerke des Gefängnisses zum Teil noch als Abschiebehaftanstalt genutzt.

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