- Politik
- AfD in Greifswald
Stimmungsmache durch Anfragen
Greifwalder Kulturzentrum soll lauf AfD »linksextremistische Straftäter« beherbergen - Beweise gibt es dafür nicht
Anfragen in Parlamenten scheinen ein bewährtes Mittel der AfD zu sein, um an Informationen über politische Gegner*innen zu gelangen. 2017 stellte die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus eine Anfrage zur angeblichen staatlichen Unterstützung linksradikaler Organisationen. Ziel war es, an Daten über Vereine, Stiftungen und Projekte zu kommen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzen. Dazu gehörten beispielsweise die Amadeo-Antonio-Stiftung, das August-Bebel-Institut, das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus sowie die Falken. Eine ähnliche Anfrage stellte jüngst auch die AfD-Bundestagsfraktion und wollte wissen, welche Organisationen Mittel des Bundesprogramms »Demokratie leben« beziehen. Auch hier lautet der Vorwurf der AfD: staatliche Unterstützung linksradikaler Gesinnung.
Nun hat es das Internationale Kultur- und Wohnprojekt (IkuWo) in Greifswald getroffen. Mittels einer kleinen Anfrage der AfD-Abgeordneten Nikolaus Kramer und Stephan J. Reuken an die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns sollte das Projekt als Ansammlung »linksextremistischer Straftäter« diffamiert werden. Doch die Antwort der Regierung ist ein deutlicher Dämpfer für die Rechtsaußenpartei.
Das IkuWo war bereits vor wenigen Wochen Stadtgespräch in Greifswald. Einem Burschenschaftler wurde in der Nacht auf den 10. Juni vor dem Kulturzentrum das Band seiner Uniform entrissen. Die Polizei wollte das IkuWo ohne gültigen Durchsuchungsbefehl betreten, wurde aber von Vereinsmitgliedern daran gehindert. Sechs Wochen später kam es zu einer groß angelegten Hausdurchsuchung, bei der die Polizei jedoch keine Beweise sicherstellen konnte.
Diese Diskussionen nutze nun die AfD für Ihre Anfrage. Die zuständigen Behörden des CDU-geführten Innenministeriums waren in ihrer Antwort auf die Anfrage jedoch sehr eindeutig. Der »Verein IKUWO e. V. selbst wird nicht als extremistischer Personenzusammenschluss eingestuft«, so die Antwort und »ist somit auch kein Beobachtungsobjekt der hiesigen Verfassungsschutzbehörde. Zur Nutzung des Gebäudes durch linksextremistische Strukturen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.« In einer Pressemitteilung des Vereins heißt es darüber hinaus: »Im Gegenteil, die im Bericht aufgeführten Veranstaltungen verdeutlichen die offene, vielschichtige und interkulturelle Ausrichtung des Zentrums und seiner Betreiber.«
In der Stellungnahme übt der Verein aber auch deutliche Kritik an der Landesregierung. So seien in der Antwort »ungefragt mutmaßlich links-politisch motivierte Straftaten gelistet, welche allerdings keineswegs direkt mit dem Verein in Verbindung gebracht werden können.« Für den Verein stellt sich daher die Frage, »warum die Landesregierung bei ihrer Antwort auf eine Frage nach generellen Straftaten im IKuWo die zahlreichen Angriffe und Anschläge auf das Haus in den letzten Jahren außer Betracht lässt.«
Das Gebäude des IkuWo ist in der Vergangenheit bereits mehrfach Ziel von Anschlägen geworden. Das waren unter anderem Farb- und Buttersäureanschläge, Morddrohungen gegen Vereinsmitglieder, aber auch eine Brandstiftung an einem vor dem IKuWo abgestellten Fahrzeug im Jahr 2011 gab es schon.
Der Verein ist seit 2001 in einem Haus in der Greifswalder Goethestraße beheimatet. Dort befinden sich ein Vereinscafé, der große Veranstaltungssaal, ein Bandproberaum, ein Büroraum und 8 WG-Zimmer plus Gästeraum. 2011 wurde das Haus durch den Verein erworben, um es zukünfitg für gemeinnützige Zwecke zu sichern. Die ehrenamtliche Arbeit junger engagierte Leute im Zentrum gründet sich nach Eigenaussage »aus Erfahrungen im Ausland, der gähnenden Leere vieler Häuser in der Innenstadt Greifswalds und des in Deutschland aktuellen Diskurses um Fremdenfeindlichkeit.« Ziel sei es »Begegnungen mit anderen Kulturen in Deutschland tatsächlich zu leben und so den Alltag bereichern.«
Ungeachtet der fehlenden rechtlichen Grundlage fordert die AfD in einer eigenen Pressemitteilung zur Antwort der Landesregierung nun das Verbot des IkuWo – und zeigt damit ihr problematisches Verständnis von rechtlichen und demokratischen Grundsätze auf.
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