Abschiebung ins Konfliktgebiet
Charterflug mit 46 Geflüchteten landet in Kabul / Auch Auszubildende nach Afghanistan zurückgeschickt
Der Konflikt um Abschiebeflüge nach Afghanistan hält an. Auch die nunmehr 15. Sammelabschiebung ist so umstritten wie die erste im Dezember 2016. Diesmal waren 46 abgelehnte Asylbewerber betroffen. Die Maschine aus München landete am Mittwoch um 8.30 Uhr Ortszeit in Kabul.
Am Abend zuvor gab es in der bayerischen Landeshauptstadt einen Protestmarsch, an dem sich nach Polizeiangaben rund 600 Menschen beteiligten. Die Demonstrierenden kritisierten, dass die Bundesregierung nach Kabul abschiebt, obwohl sich in Afghanistan der Konflikt mit den Taliban und IS-Kräften ausweitet. Erst am vergangenen Freitag überfielen Talibankämpfer die strategisch wichtige Stadt Gasni im Osten des Landes. Bei dem Angriff gab es Hunderte Tote. »Afghanistan ist ein Land im Krieg«, befindet Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network. »Gerade sichere Gebiete können morgen Orte von Angriffen und Anschlägen werden.«
Die Bundesregierung beruft sich indes auf einen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom Juni, der das Land in Teilen für sicher erklärt. Seitdem werden nicht mehr nur Straftäter, Gefährder und solche Personen abgeschoben, die im Zuge eines Asylverfahrens ihre Identität nicht preisgeben wollen - sondern es kann sämtliche Ausreisepflichtige treffen.
Von dieser neuen Regelung macht vor allem Bayern Gebrauch. Unter den jüngst Abgeschobenen befanden sich allein 25 Asylbewerber aus dem Freistaat. Der bayerische Flüchtlingsrat kritisierte, dass sich unter ihnen auch junge Männer befänden, die bereits eine Ausbildung absolvierten oder eine Schule besuchten. Ein Afghane habe nur noch ein Jahr Berufsschule vor sich, berichtete der Flüchtlingsrat auf seiner Website. Ein weiterer habe seit bereits seit zwei Jahren eine Ausbildung gemacht. Der Arbeitgeber, eine Kulmbacher Firma für Sanitärtechnik, würde den Mann gerne weiterbeschäftigen, hieß es. Auch die Handwerkskammer für München und Oberbayern kritisierte dieses Vorgehen.
Derweil beraten Bundespolitiker von SPD und FDP darüber, ob mit einem entsprechenden Einwanderungsgesetz solche Abschiebungen künftig verhindert werden können.
In dem Flugzeug nach Kabul befanden sich auch drei Personen aus dem rot-rot regierten Brandenburg. Zwei seien verurteilte Straftäter, bei einem habe es an der Integrationsbereitschaft gemangelt, erläuterte ein Sprecher des Potsdamer Innenministeriums der Nachrichtenagentur AFP. Nicht einverstanden mit der Entscheidung ist die LINKE. Die Partei lehne Abschiebungen nach Afghanistan grundsätzlich ab, erklärte die Landesvorsitzende Anja Mayer. Sie hält die Einschätzung, dass es sichere Gebiete in Afghanistan gebe, für falsch. Seiten 6 und 12
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