Lücke in den Privatbereich

Verfassungsbeschwerden gegen Selbstermächtigung des Staates zu Rechtsbruch

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine ganze Welle von Verfassungsbeschwerden rollt auf den Staatstrojaner - besser gesagt auf seine Urheber zu, also auf Gesetzgeber und Innenbehörden. Zu Monatsbeginn legte bereits die Datenschutz- und Grundrechteorganisation Digitalcourage Beschwerde ein. Zu den fünf Beschwerdeführern gehört neben Rolf Gössner auch der Autor Marc-Uwe Kling aus Berlin, »der mit einem kommunistischen Känguru in einer Wohngemeinschaft lebt, wie aus seiner Känguru-Trilogie allgemein bekannt ist«. Zu Wochenbeginn folgten 13 FDP-Politiker, unter ihnen Politiker, die sich schon vor Jahren einen Namen als streitbare Verteidiger der Bürgerrechte einen Namen machten. So die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie Gerhart Rudolf Baum und Burkhard Hirsch. Noch in diesem Monat soll die Beschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) folgen, die ein gemeinsames Vorgehen mit Rechtsanwälten und weiteren Partnern angekündigt hat. Zu ihnen zählen der ARD-Dopingaufklärer Hajo Seppelt und der im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar. Letzterer sei bereits Opfer von Hackerangriffen geworden, hieß es. Seppelt macht geltend, dass er aufgrund seiner Position als Investigativjournalist besonders gefährdet sei und außerdem seine Informanten zu schützen habe.

Sie alle wenden sich gegen die Anwendung des sogenannten Staatstrojaners. Dieser erhielt seinen Namen vom Trojanischen Pferd, das in der Mythologie nach zehnjährigem erfolglosen Krieg als List gegen Troja eingesetzt wurde - ein hölzernes Pferd, das den Trojanern geschenkt und nach Troja geschafft wurde, in dem sich aber griechische Soldaten verbargen, die nachts herauskamen und ihr tödliches Werk taten. Der Krieg war damit entschieden.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts hatten Online-Durchsuchungen 2008 in einem Urteil an strenge Auflagen geknüpft und damit ein Computergrundrecht geschaffen. Dieses »Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme« ergibt sich aus der mit dem Computer entstandenen neuen Dimension des menschlichen Lebens. Für die Menschenwürde und Entfaltung der Persönlichkeit handele es sich um einen »elementaren Lebensraum«, argumentierten die Richter damals.

Die Abwägung zwischen Sicherheitsinteressen und Freiheitsinteressen der Bürger, die beide vom Staat gewährleistet werden müssen, ist damit seither auf einer neuen Stufe zu einem Feld ständiger politischer Auseinandersetzungen geworden. Im vergangenen Jahr wurde eine Befugnis der Strafverfolger zur Onlinedurchsuchung sowie zur Quellen-TKÜ - das Abhören verschlüsselter Nachrichten - eingeführt. Dagegen richten sich die Verfassungsbeschwerden. Mit den geschaffenen Möglichkeiten könnten präzise Persönlichkeitsprofile erstellt werden. Man könne dem Menschen am Computer zudem quasi live bei seinen Aktivitäten zuschauen. Die technische Voraussetzung seien Sicherheitslücken in der Software, die der Staat nutze, statt die Bürger vor ihnen zu schützen. Dies widerspreche den Auflagen der Richter von 2008, lautet der Vorwurf.

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