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Intelligente Stromnetze und virtuelle Kraftwerke
Die Ökostrombranche lotete die Potenziale der Digitalisierung für die Energiewende aus
Es gibt derzeit keine Entwicklung, die die Wirtschaft und das Arbeitsleben so sehr umkrempelt wie die Digitalisierung. IT-Riesen wie Apple, Google oder Facebook sind bereits die wertvollsten Unternehmen, mittlerweile bieten deutsche Universitäten Studiengänge wie »Digitale Wirtschaft« sowie »Automation und Industrie 4.0« an. Und auch die Branche der Erneuerbaren lotet derzeit aus, wie sie sich die Vorteile der technologischen Revolution für die Energiewende zu nutze machen kann. Schlagworte sind zum Beispiel: virtuelle Kraftwerke, smart Grids (deutsch: intelligente Stromnetze), Blockchain und digitales Lastenmanagement.
Denn je weiter die Energiewende voranschreitet, desto mehr kommt das alte System der Stromversorgung an seine Grenzen. Denn statt wenigen großen Kohle- und Atomkraftwerken wird es künftig viele kleine und größere Ökostromanlagen geben. »Die Transformation des Energiesystems von zentraler zu dezentraler Erzeugung bringt eine Komplexität mit sich, die nur mit einem hohen Automatisierungsgrad beherrschbar bleibt«, heißt es in einer aktuellen Studie der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), einem Lobbyverband der Ökostrombranche. Konkret heißt dies, dass im Zuge der Energiewende immer größere Datenmengen simultan verarbeitet werden müssen, damit das Netz stabil bleibt. In dem Papier wird deutlich, dass manch eine digitale Lösung für ein Problem der Energiewende auch Risiken birgt.
Ein Beispiel dafür ist das was die Branche derzeit unter dem Begriff virtuelle Kraftwerke diskutiert. Dabei sollen mehrere kleinere Ökostromanlagen teilweise mit Speichern oder auch sogenannten Power-to-Gas- oder Power-to-Heat-Anlagen, in denen der Strom in Gas oder oder Wärme umgewandelt wird, über ein gemeinsames Leitsystem zusammengeschlossen werden. Der Vorteil: »Im Verbund können Energie und Flexibilität besser vermarktet werden«, heißt es in der AEE-Studie. »Jede Anlage alleine wäre zu klein oder schlicht nicht in der Lage, Systemdienstleistungen wie Regelenergie anbieten zu können.« Je mehr Erzeuger in einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschaltet seien, desto besser glichen sich die einzelnen Einheiten aus.
Jedoch steigt mit der Zahl der Einheiten auch der Aufwand der Datenverarbeitung. Jedoch birgt dieses Modell der virtuellen Kraftwerke ein weiteres Problem, das wirtschaftlicher Natur ist: Ähnlich wie in anderen Wirtschaftsbereichen könnten sich bei diesen Stromplattformen Monopole herausbilden, die die Branche dominieren. Als Beispiele werden Airbnb bei Ferienwohnungsvermittlungen und Uber bei Fahrdienstleistungsvermittlungen genannt.
Vor allem aber könnte die Digitalisierung helfen, neue, intelligente Stromnetze zu managen, die man für die Energiewende braucht. Denn das alte Netz ist darauf ausgerichtet, nur Strom vom Großkraftwerk an die Verbraucher zu verteilen. Doch schon jetzt erzeugen mehr als 1,6 Millionen Stromverbraucher selbst Strom in Photovoltaikanlagen. Der Strom muss also nicht nur in eine Richtung fließen können. »Damit die Netze trotz der hohen Dynamik jederzeit stabil bleiben, brauchen sie laufend Informationen zum Netzzustand und zum Verbraucherverhalten«, heißt es in dem AEE-Papier.
Man hofft in der Branche, dass nicht nur die Stromnetze mit Hilfe von Algorithmen effizienter gesteuert werden können, sondern auch der Stromverbrauch mit Hilfe von intelligenten Geräten und variablen Strompreisen. Zum Beispiel könnte man die Spülmaschine oder Heizung so programmieren, dass sie anspringen, wenn der Strom im Überfluss vorhanden und billig ist. Experten gehen von einem Einsparpotenzial von bis zu 120 Euro pro Haushalt und Jahr aus.
Letztlich ist jedoch noch gar nicht ausgemacht, ob die Digitalisierung unterm Strich bei der Energiewende helfen kann. »Den Energieeinsparungen und der intelligenten Energieverbrauchssteuerung steht ein hoher Rechenaufwand gegenüber, der die Effizienzgewinne wieder aufwiegen kann«, schließt die AEE-Studie.
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