70 Euro für lahmes Ballgeschiebe
Christoph Ruf fände es schön, wenn Fußball künftig wieder gespielt anstatt verhindert werden würde
Reisen bildet, heißt es. Als ob man sich rechtfertigen müsste, wenn das einzige, das beim Urlaub hängenbleibt, die Sommerbräune und der Sand am Hintern ist.
Bei mir ist Bildung im Urlaub jedenfalls seit jeher allenfalls ein Kollateralschaden, sieht man mal davon ab, dass einen das Lesen von Romanen und Zeitungen auch nicht noch dümmer macht, als man eh schon ist. Immerhin: Am Sonnabend hätte für mich ein Zweitligaspiel als Bildungsurlaub auf der Agenda gestanden, das einen Besuch wert gewesen wäre. AS Béziers, ein eher belangloser Verein mit einem hochinteressanten Stadion, hätte RC Lens empfangen, einen der charismatischsten französischen Fußballvereine, der als Zweitligist im Gegensatz zu einigen Erstligisten auch richtig viele Fans hat: 1000 von ihnen sind die 1000 Kilometer von der belgischen Grenze ans Mittelmeer gefahren - nur um dort kurz vor Anpfiff zu erfahren, dass das Spiel abgesagt werden würde. Wegen Unbespielbarkeit des Platzes. Am 25. August. 48 Stunden, nachdem eine Platzkommission das Spiel genehmigt hatte. Doch tatsächlich sahen die Fotos vom holprigen, pilzbefallenen Geläuf nach vielem aus, nur nicht nach einem Fußballspiel - es gab also Gründe für die Absage, die der französische Ligaverband vornahm. Dafür, dass er das erst so kurzfristig tat, gab es allerdings keinen Grund. Außer dem, dass es die französischen Offiziellen einen Dreck interessiert, wie sich Fans fühlen, die tausende Kilometer durch die Gegend reisen und vom AS Béziers mit großer Geste als Entschädigung ein Sandwich und ein Getränk bekommen.
Interessant auch, wie in der französischen Presse die Bundesliga wahrgenommen wird, die gerade gestartet ist. Dass die ganz großen internationalen Stars anderswo spielen, wird genauso registriert wie die Feststellung von Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann, dass ein 25-Jähriger, der bei Manchester United spielt, sich über ein Angebot der Bayern nur totlachen würde. Natürlich gaben die französischen Kollegen den deutschen Managern auch die Gelegenheit, Werbung für die Liga zu machen. Interessantes fiel den Herren Preetz, Watzke, Schmadtke und Co. allerdings nicht ein. Die Stadien seien gut besucht, das sei doch auch schon was wert.
Bezeichnend, dass kein Manager auch nur den Versuch unternahm, das sportliche Niveau der Bundesliga anzupreisen. Und tatsächlich waren die Spiele vor allem in der vergangenen Saison meist wenig erbaulich. Den Ball wollte niemand, es gewann, wer den Minimalismus auf die Spitze trieb: hinten sicher stehen, vorne einen Glückstreffer landen.
Wenn die Eindrücke aus meinem Bekanntenkreis repräsentativ sind, hat der deutsche Fußball derzeit zwei Probleme. Zum ersten, dass sich die Fans in der Kurve von den Verbänden in einem Maße missachtet fühlen, dass diese Saison zu einer spannenden Veranstaltung werden lassen könnte - immerhin jenseits des Platzes. Und zum zweiten, dass die bürgerlicheren Fans, die sich beim Fußball ausschließlich für den Fußball interessieren, fragen, warum sie 60, 70 Euro für einen Sitzplatz bezahlen sollen, wenn sie nur uninspiriertes Ballgeschiebe mit zwei, drei Kontern als Highlight zu sehen bekommen.
Vielleicht wäre es ja eine Idee, wenn sich der deutsche Fußball auf die zwei Dinge konzentrieren würde, die für ihn wichtiger sind, als ein Wettrennen gegen die Dukatenesel bei Paris St. Germain oder Manchester City gewinnen zu wollen. Erstens: Das Know-how vieler Nachwuchs- und Profitrainer dafür zu nutzen, Fußball wieder zu spielen statt ihn zu verhindern. Und zweitens endlich zu begreifen, dass es Konsequenzen hat, wenn das Verhältnis zwischen Fans und offiziellem Fußball endgültig zerrüttet ist. Viele aktive Fans, die sich in ihren Szenen dafür starkgemacht hatten, sich mit den Verbänden nochmals an einen Tisch zu setzen, haben in den letzten Monaten zwei prägende Erfahrungen gemacht. Erstens, dass viele Vereinsvertreter den Fans gegenüber verständnisvoll auftreten, nur um dann - wie bei den neu beschlossenen Montagsspielen in der Dritten Liga - genau gegenteilig abzustimmen. Und zweitens, dass es bei DFB und DFL trotz aller gegenteiliger Bekundungen noch viele Menschen für eine clevere Strategie halten, Fans Sand in die Augen zu streuen.
Auch in Deutschland gibt es noch zu viele Funktionäre, die glauben, dass man Fans ungestraft verarschen kann, wenn man ihnen danach ein Sandwich in die Hand drückt.
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