»Heimkehr« ins Flüchtlingslager

Nigeria betreibt Rückkehr von Binnenflüchtlingen trotz andauernder Gefahr durch Boko Haram

  • Celia Lebur, Pulka
  • Lesedauer: 4 Min.

Für Fadi Ali waren die vergangenen drei Jahre eine einzige Flucht vor den Kämpfern der Dschihadistenmiliz Boko Haram im Nordosten Nigerias. »Sie haben meinen Ehemann abgeschlachtet und meine Großmutter und zwei meiner Kinder getötet«, sagt die 35-Jährige aus dem Dorf Ngoshe. Schließlich las ein Armee-Konvoi Ali auf und brachte sie in das Lager Pulka für Binnenflüchtlinge.

Die Bedrohung durch die islamistischen Boko Haram ist eines der Themen, das auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch in Nigeria am Freitag beschäftigen dürfte. Seit 2009 kämpfen die Extremisten gewaltsam für die Errichtung eines islamischen Gottesstaats im mehrheitlich muslimischen Nordosten Nigerias.

In dem Konflikt wurden bisher mehr als 20.000 Menschen getötet und 2,6 Millionen weitere Menschen in die Flucht getrieben. Die meisten von ihnen sind Binnenflüchtlinge. Viele fliehen vor der Gewalt der Extremisten aber auch ins Ausland. In Deutschland standen Nigerianer im Juli an fünfter Stelle bei den Asylbewerberzahlen.

Trotz der andauernden Gefahr betreibt die nigerianische Regierung seit Neuestem eine Kampagne zur Rückkehr zehntausender Binnenflüchtlinge. Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahl im kommenden Februar ist Amtsinhaber Muhammadu Buhari bemüht, Erfolge im Kampf gegen Boko Haram zu melden. Und so verkündete er, die vom Konflikt mit den Islamisten verwüstete Region im Nordosten des Landes sei nun »in einer Stabilisierungsphase nach dem Konflikt«.

Die Realität sieht allerdings so aus, dass die angeblichen »Heimkehrer« nicht wirklich in ihre Heimatorte zurückkehren können, sondern in Lager im Bundesstaat Borno. Die Angriffe von Boko Haram auf militärische und zivile Ziele in der Region gehen derweil weiter.

Das Lager Pulka, in dem Fadi Ali untergekommen ist, ist ein typisches Beispiel für einen Lager-Typ, der derzeit überall im Nordosten des Landes entsteht: Eine von den Angriffen der Islamisten verwüstete Stadt wird dabei in eine Garnison verwandelt, von der aus Soldaten umliegende Lager beschützen und Hilfsorganisationen Unterstützung leisten können.

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Tiefe Gräben sollen die satellitenartig um Pulka liegenden Camps gegen Angriffe schützen. Bauern können sich nur im Fünf-Kilometer-Radius um die Lager bewegen, ab 17.00 Uhr müssen alle Bewohner in ihren Zelten oder Häusern bleiben, es gilt Ausgangssperre.

Seit Boko Haram vor Jahren sein Zuhause zerstört hat, wurde der Bauer Abba Zakara von Lager zu Lager geschickt. Vor wenigen Wochen sagte man ihm, er könne jetzt wieder zu seinem alten Leben zurückkehren. Stattdessen fand er sich in Pulka wieder, von einer Rückkehr nach Hause kann keine Rede sein.

»Die meisten Binnenflüchtlinge sind in Kleinstädten gruppiert, die unter starkem Militärschutz stehen«, erläutert Fouad Diab von der Internationalen Organisation für Migration (IOM). »Doch dort haben sie nur begrenzte Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.« Den meisten Menschen sei es angesichts der Bedrohung durch Boko Haram weiterhin nicht möglich, zu ihren Bauernhöfen oder Arbeitsplätzen zu gelangen.

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Eine Modellstadt für die von der Regierung betriebene Rückkehr in den Nordosten Nigerias soll Bama im Bundesstaat Borno sein. Dort wurden nach Regierungsangaben 11.000 Häuser wieder aufgebaut. Doch die meisten angeblichen Häuser erweisen sich bei näherem Hinsehen als frisch getünchte Wände, hinter denen Trümmer liegen - eine Scheinwelt. An einer Grundversorgung fehlt es in dem Ort weiterhin. Auch andere für »Heimkehrer« vorgesehene Städte sind nicht wirklich bewohnbar. Es gibt weder Ärzte, noch Lehrer, noch eine Stadtverwaltung.

Doch wenn es auch an der wichtigsten Infrastruktur fehlt - eines ist im Flüchtlingslager Pulka zur Genüge zu finden: An jeder Ecke hängen Wahlplakate von Buharis Partei. AFP/nd

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