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Auf Herz und Nieren prüfen
Minister Spahn regt Gesetzesreform an: Künftig soll jeder Organspender sein, wenn er nicht widerspricht
Gesundheitsminister Jens Spahn nimmt sein Regierungsamt ernst. Der CDU-Politiker wäre laut Koalitionsvertrag verpflichtet, die Arbeit der Transplantationsbeauftragten in Kliniken zu erleichtern und besser zu finanzieren. Und die Krankenhäuser sollen über Vergütung zur Organentnahme motiviert werden. Der Druck der Fachleute scheint allerdings so hoch zu sein, dass Spahn jetzt einen Schritt weiter geht. Er wolle neue Regeln zur Organspende anregen, sagte er der »Bild«-Zeitung. Künftig solle jeder Deutsche automatisch Organspender sein, wenn er oder seine Angehörigen nicht ausdrücklich widersprechen. Dass Spahn jedoch keinen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt, spricht für den Widerstand, den er durchaus auch in den eigenen Reihen zu erwarten hat - sind doch grundlegende ethische Fragen berührt. Der Widerspruch der Deutschen Bischofskonferenz gab am Montag einen Vorgeschmack. »Diese Diskussion sollten wir im Bundestag führen«, versuchte Spahn sich aus der Affäre zu ziehen. »Dort gehört das Thema hin.« Den Entwurf über die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele hat sein Ministerium hingegen ausgearbeitet. Die Organspende läuft auf eine fraktionsübergreifende Abstimmung zu.
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte den Vorschlag einer Bundestagsdebatte, hielt sich mit eigenen Meinungsäußerungen aber zurück. Vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach erhielt Spahn hingegen Rückendeckung. »Ich bin ein klarer Befürworter der Widerspruchslösung«, sagte Lauterbach der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post«. Es sei eine Schande, dass zurzeit so viele Menschen unnötig litten, weil keine Organe für sie vorhanden seien. Die niedrige Zahl von Organspendern nannte der SPD-Politiker eine »medizinische Tragödie«.
Die sogenannte doppelte Widerspruchslösung sieht vor, dass Widerspruch gegen die Organentnahme auch die Verwandten eines Verstorbenen einlegen können, wenn dieser es versäumt hat. Derzeit gilt die »Entscheidungslösung« - die Krankenkassen fordern ihre Versicherten regelmäßig zu einer Entscheidung auf, einen Zwang gibt es jedoch nicht. Die Verwandten können die Einwilligung nach dem Gehirntod auch nachträglich erteilen, wenn dies mutmaßlich im Sinne des Verstorbenen ist. Bis 2012 galt noch die »Erweiterte Zustimmungslösung«. Auch hier muss der Verstorbene zugestimmt haben oder die Verwandten entscheiden nachträglich. Es entfiel die Aufforderung zu einer Entscheidung durch die Krankenkassen zu Lebzeiten.
Alle Änderungen folgen einem wachsenden Organ-Notstand. Allein 8000 Menschen brauchen eine neue Niere - viermal mehr, als Organe verfügbar sind. Kein Gesetz hat bisher einen flächendeckenden Spender-Sinneswandel erbracht. 2017 sanken die Organspendezahlen auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Vorausgegangen war ein Spendenskandal, bei dem Wartelisten manipuliert worden waren. Mit Agenturen
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