- Politik
- Gericht in Indien
Sex von Homosexuellen nicht mehr strafbar
2016 wurden über 2000 Menschen verurteilt / In 30 ehemaligen britischen Kolonien gelten Gesetze gegen Homosexualität immer noch
Neu Delhi. In Indien soll gleichgeschlechtlicher Sex nicht mehr bestraft werden. Das entschied das Oberste Gericht des asiatischen Landes nach Angaben von Rechtsanwälten und Aktivisten am Donnerstag. Vor dem Gericht jubelten Aktivisten, Indiens Opposition begrüßte die Entscheidung. Sie sei »ein Sieg über Vorurteile« erklärte die Kongresspartei auf Twitter. Man hoffe, dass die fortschrittliche Entscheidung der Beginn einer »gerechteren und inklusiveren Gesellschaft« sei, erklärte Indiens größte Oppositionspartei.
Die Richter hatten befunden, eine Kriminalisierung sexueller Handlungen verstoße gegen die indische Verfassung. Mit ihrer Entscheidung strichen die Richter den 146 Jahre alten Paragrafen 377 teilweise aus dem indischen Strafgesetzbuch. Das Gesetz aus der Kolonialzeit sah homosexuellen Sex als »gegen die Ordnung der Natur«. Das darin ebenfalls geregelte Verbot von Sex mit Tieren bleibt den Angaben zufolge aber bestehen.
Nach dem Passus aus dem Jahr 1862 konnten homosexuelle Akte mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden - auch wenn sie im Privaten und mit Einverständnis unter Erwachsenen stattfanden.
Tatsächlich wurde das Gesetz in dem 1,3-Milliarden-Einwohnerland aber nur relativ selten angewendet. 2016 wurden rund 2100 Menschen nach dem Gesetz verfolgt, vor 2014 wurden Verurteilungen nicht separat in der Kriminalitätsstatistik erfasst. Doch Kritiker sagen, es sei von Polizisten und anderen genutzt worden, um Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender und andere zu belästigen.
Einer von mehreren Klägern gegen das Gesetz war 2001 durch das Gesetz verurteilt worden und verbrachte 49 Tage im Gefängnis. Arif Jafar, der heute eine Hilfsorganisation für Homosexuelle und Transgender betreibt, erklärte vor Gericht, er sei wegen seiner Sexualität geschlagen und gedehmütigt worden.
In dem Land, in dem Homosexualität immer noch ein Tabu ist, wurde das Gesetz aber auch zur Erpressung vermeintlicher oder tatsächlicher Homosexueller in ländlichen Gebieten genutzt. In dem mehrheitlich hinduistischen Land, dessen Kultur traditionell eher eine flexible Sexualität ermöglichte, hatten Hindunationalisten in den letzten Jahren vermehrt gegen Homosexualität polemisiert.
Ein erster Vorstoß, Sex unter Homosexuellen zu entkriminalisieren, war 2013 vom Obersten Gericht Indiens noch gestoppt worden. Zunächst hatte 2009 das Oberste Gericht im Bundesstaat Deli geurteilt, das Verbot verstoße gegen die Verfassung. Nach einer lose koordinierten Kampagne von hinduistischen, christlichen und muslimischen Gruppen annulierte das Oberste Gericht des Landes dann 2013. Die Begründung: Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender würden nur »einen winzigen Anteil« an der Bevölkerung stellen, deswegen sei eines Gesetzesänderung »unnötig«.
Laut dem Bericht »State-Sponsored Homophobia« der International LGBTI Association von 2017 ist die Gesetzgebung in 30 von 48 ehemaligen englischen Kolonien, die zu Zeiten des britischen »Empires« Gesetze gegen Homosexuelle einführten, noch immer unverändert. mwi/dpa
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!