Kristina Vogel ist gelähmt

Olympiasiegerin berichtet von schrecklicher Diagnose

  • Emanuel Reinke
  • Lesedauer: 3 Min.

Radfahren, das ist für Kristina Vogel traurige Gewissheit, wird sie nie wieder. Olympische Spiele, Weltmeisterschaften, das tägliche Training - ihr gewohntes Leben gehört der Vergangenheit an. Die 27-Jährige gab im Interview mit dem »Spiegel« am Freitag ihre Querschnittslähmung bekannt. »Es ist scheiße, das kann man nicht anders sagen. Egal, wie man es verpackt, ich kann nicht mehr laufen«, sagte Vogel: »Aber was soll ich machen? Ich bin immer der Meinung, je schneller man eine neue Situation akzeptiert, desto besser kommt man damit klar.«

Erstmals seit dem verhängnisvollen Trainingsunfall am 26. Juni äußerte sich Vogel öffentlich. Ihr Rückenmark sei am siebten Brustwirbel durchtrennt. »Das heißt ungefähr ab der Brust abwärts. Dann verläuft die Grenze zwischen Gefühl und Taubheit etwas, auf der linken Seite geht es etwas tiefer als auf der rechten Seite«, erklärte Vogel.

Das Gefühl in ihren Beinen, die die zweimalige nd-Sportlerin des Jahres zu zwei olympischen Goldmedaillen und elf WM-Titeln trugen, ist verloren gegangen. »Ich spüre meine Haut, aber meine Beine spüren die Berührung nicht. Das ist schwer zu beschreiben«, sagte Vogel, die dennoch Glück im Unglück hatte: »Auf den ersten Röntgenbildern sieht meine Wirbelsäule aus wie ein Ikea-Klapptisch. Ich habe großes Glück, dass ich noch lebe und dass ich noch voll funktionsfähige Arme habe. Ich hätte auch gut halsabwärts gelähmt sein können.«

Die Erfurterin war Ende Juni beim Training in Cottbus mit einem Fahrer kollidiert, der sich ebenfalls auf der Radrennbahn befand. »Ich bin mit Pauline Grabosch Sprints gefahren, sie vorneweg, wir beide in der aerodynamischen Haltung. Dann ist sie ausgeschert, ich gehe in Führung, und dann ist alles schwarz, tiefschwarz«, sagte Vogel: »Meine nächste Erinnerung ist, wie ich auf der Bahn wieder wach werde.«

Emotional und ausführlich schildert sie die dramatischen Momente nach dem Unfall. Sie beschreibt unter anderem, wie sie jemanden mit ihren Schuhen weggehen sah, aber nicht gemerkt hatte, dass sie ihr ausgezogen worden waren: »Da war mir sofort klar, das war’s. Jetzt bin ich querschnittgelähmt.« Im Unfallkrankenhaus Berlin wurde Vogel in der Folge intensiv betreut. »Die ersten zwei Wochen habe ich so hart gekämpft wie noch nie. Ums Überleben«, sagte Vogel. Nach der zweiten Operation habe sie an einer starken Lungenentzündung gelitten, immer wieder ein paar Tage im künstlichen Koma gelegen. »Ich dachte zwischendrin wirklich, dass ich sterbe.«

Kristina Vogel will sich jedoch nicht aufhalten lassen. »Ich bin noch da und immer noch dieselbe verrückte Nudel. Ich möchte Motivation für andere sein. Egal, was das Schicksal für einen bereithält, das Leben geht weiter, in meinem Fall nun auf vier Rollen statt auf zwei Rädern. Meine Arme sind jetzt halt auch meine Beine«, sagte Vogel.

Ob sie in Zukunft im Paralympischen Sport starten wird, ist noch unklar. »Ich weiß nicht, ob ich wieder in den Leistungssport will. Diese Frage stellt sich mir aktuell nicht«, sagte Vogel. »Zum ersten Mal in meinem Leben muss ich nichts, ich kann. Diese Situation möchte ich genießen. Im Grunde genommen bin ich zum ersten Mal frei.« SID/nd

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