Der Präsident und die Baby-Frage

Grüne: Der jüngste Streit um Kinder im Thüringer Landtag ist grundsätzlicher Natur

  • Sebastion Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass die Grüne-Fraktion im Thüringer Landtag im Streit um die Anwesenheit von Babys im Plenarsaal nun vor das oberste Gerichts des Freistaats zieht, hat nach Angaben ihres Fraktionschefs Dirk Adams eine Vorgeschichte. Die Angelegenheit habe auch mit früheren Konflikten zwischen den Abgeordneten von Rot-Rot-Grün und Landtagspräsident Christian Carius (CDU) zu tun. Dass Carius Ende August den erst wenige Wochen alten Sohn der Grüne-Abgeordneten Madeleine Henfling zusammen mit seiner Mutter des Plenarsaals verwiesen hatte, stehe aus seiner Sicht »in einer bedauerlichen Kontinuität« mit Entscheidungen von Carius aus der Vergangenheit, sagt Adams. Immer wieder habe Rot-Rot-Grün mit Carius in den vergangenen Monaten darüber gestritten, wo die Rechte des Präsidenten anfingen und wo sie endeten.

Bei der Entscheidung zum Umgang mit Henfling und ihrem Sohn, die inzwischen als Babygate bezeichnet wird und sogar internationale Aufmerksamkeit erregt hat, habe Carius nun widerstreitende Interessen völlig falsch abgewogen und so zu stark in die Rechte einer Abgeordneten und der Fraktion eingegriffen, argumentiert Adams. Deshalb sehe die Fraktion anders als bei Konflikten mit Carius aus der Vergangenheit keine andere Möglichkeit, als gegen ihn vor dem Verfassungsgerichtshof zu klagen. »Keine Fraktion macht es sich leicht, so eine Klage einzureichen«, sagt Adams. Diesmal habe es aber keine andere Möglichkeit gegeben. Eine politische Auseinandersetzung mit Carius sei in dieser Angelegenheit nicht zielführend.

Rot-Rot-Grün und Carius hatten sich zuletzt unter anderem einen heftigen Streit um die Landtagsdirektorin Birgit Eberbach-Born geliefert. LINKE, SPD und Grüne hatten ihr vorgeworfen, ein juristisches Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Landtages im Zusammenhang mit der Gebietsreform zugunsten der CDU beeinflusst zu haben. Carius und Eberbach-Born wiesen die Vorwürfe zurück.

Beim Rauswurf von Henfling und Sohn aus dem Plenarsaal hatte Carius unter anderem damit argumentiert, der Sitzungssaal sei kein Ort für einen Säugling. Die Geschäftsordnung des Landtages lasse zudem die Anwesenheit des Kindes nicht zu. Die Grünen dagegen verweisen darauf, Carius habe sehr wohl einen Entscheidungsspielraum gehabt, um die Anwesenheit des Kindes im Plenarsaal zu gestatten. »Jede und jeder kann im Plenarsaal sein, solange der Landtagspräsident dem nicht widerspricht«, sagt Adams. Nur habe Carius diesen Entscheidungsspielraum eben nicht genutzt. Die Grüne-Fraktion hat deshalb den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verfassungsgerichtshof beantragt, um zu erreichen, dass Henfling in Begleitung ihres Sohnes den Plenarsaal während Landtagssitzungen betreten darf.

In diesem nun juristischen Streit ist die Fraktion nach Angaben ihres Rechtsvertreters Martin Kupfrian auch bereit, ein Hauptsacheverfahren gegen Carius zu führen. Abhängig davon, wie die Begründung zur Entscheidung dieses Eilantrages aussehe, komme auch ein Hauptsacheverfahren in Betracht, um diesen Konflikt grundsätzlich zu klären, sagt Kupfrian. Allerdings finde er es schade, dass nun das oberste Thüringer Gericht darüber entscheiden müsse, wie im Landtag mit Kindern umgegangen werde. »Das hätte man sehr viel eleganter lösen können«, sagt er. »Ein fortschrittliches Familienbild würde dem Landtag schon gut zu Gesichte stehen.«

Der Grünen-Fraktionschef hofft, dass die Verfassungsrichter bis zur nächsten Landtagssitzung Ende September Klarheit in dieser Frage schaffen. Das könnte genauso für zwei andere junge Mütter von Bedeutung sein, denn auch Abgeordnete der CDU und AfD haben Babys.

Am Dienstagnachmittag nahm Landtagspräsident überraschend etwas Druck aus dem Kessel. Für das September-Plenum werde ein provisorisches Stillzimmer in einem nicht genutzten Raum neben dem Sitzungssaal eingerichtet, sagte ein Sprecher. Ab November soll es dann dauerhaft ein Stillzimmer im ersten Obergeschoss geben.

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