Die Luft fürs Ryanair-Management wird dünner

Angestellte des Billigfliegers sorgen mit Streik für Flugausfälle / Forderungen nach Tarifvertrag

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Gut einen Monat nach dem ersten ganztägigen Streik der Piloten an den deutschen Basen des europaweit operierenden Billigfliegers Ryanair ließ am Mittwoch ein weiterer 24-stündiger Arbeitskampf zahlreiche Flüge ausfallen. Nach Schätzungen der beteiligten Gewerkschaften dürften bis zum späten Abend bundesweit die Mehrheit der 400 geplanten Abflüge annulliert worden sein. Zum Streik aufgerufen waren Ryanair-Beschäftigte an den Airports Berlin-Schönefeld, Berlin-Tegel, Frankfurt am Main, Hahn, Köln-Bonn, Düsseldorf, Weeze, Hamburg, Bremen, Nürnberg, Memmingen und Baden-Baden.

Historisch war an diesem Mittwoch, dass alle im Unternehmen verankerten Gewerkschaften faktisch an einem Strang zogen und parallel zum Arbeitskampf aufgerufen hatten: die Pilotenvereinigung Cockpit (VC), die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sowie der Flugbegleiterverband UFO. Für Ryanair sind dieser Schulterschluss und die europaweite Welle von Streiks eine Zäsur. »Eher friert die Hölle zu, als dass wir Gewerkschaften zulassen«, hatte Konzernchef Michael O’Leary noch vor Jahresfrist großspurig verkündet. Inzwischen haben erste Arbeitskämpfe und öffentlicher Druck das Management gezwungen, mit Gewerkschaften über Einkommen und Arbeitsbedingungen zu verhandeln.

In Irland und Italien hatte Ryanair kürzlich Teileinigungen mit Pilotengewerkschaften erzielt, die aus VC-Sicht allerdings nicht als Blaupause für ein deutsches Tarifvertragswerk dienen können. So setzt das Management nach wie vor auf Hinhaltetaktik. »Die wollen nach Gutsherrenart die aktuellen Zustände im Betrieb zu Papier bringen und darüber den Titel Tarifvertrag setzen«, erklärte VC-Vizepräsident Markus Wahl gegenüber »nd«. »Trotz des deutlichen Zeichens durch den Streik Anfang August herrscht immer noch Stillstand am Tariftisch. Wir erwarten endlich Lösungen«, forderte Wahl.

»Es wird bei Ryanair Tarifverträge geben«, zeigte er sich zuversichtlich. Schließlich zeige der hohe Personaldurchlauf im Cockpit, dass der Druck auf das Management sehr groß sei. »Im vergangenen Jahr haben europaweit pro Tag zwei Piloten das Unternehmen verlassen«, gab Wahl zu bedenken.

Die Ryanair-Chefs hatten am Dienstag noch einmal versucht, ihre streikbereiten Angestellten bundesweit mit handfesten Androhungen einzuschüchtern und vom Arbeitskampf abzuhalten. Der Streik sei »illegal, überflüssig, schädlich« und gefährde Arbeitsplätze. Man werde rechtlich gegen den Streik vorgehen und auf Schadensersatz klagen, so das Anschreiben, das dem Kabinenpersonal zugestellt wurde.

»Das sind die üblichen Umgangsformen bei Ryanair«, kommentierte ver.di-Vorstandsmitglied Christine Behle diesen Druck von oben. »Wir sind mit aktiven Gewerkschaftern an allen zwölf Basen vertreten, reden mit den Beschäftigten und machen ihnen Mut.« Für ver.di war dies der erste Warnstreik beim Billigflieger. »Der Arbeitgeber muss sich bewegen«, so Behle.

Europaweit hat Ryanair 8000 Flugbegleiter. Davon sind rund 1000 an deutschen Basen angeheuert. 700 von ihnen sind nach ver.di-Angaben als Leiharbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen, Basisgehältern ab 800 Euro monatlich und Kettenverträgen prekär beschäftigt. »Die Gehälter sind so niedrig, dass sie für einen auskömmlichen Lebensstandard nicht ausreichen«, so Behle. Vor diesem Hintergrund seien die angebotenen 41 Euro Lohnerhöhung indiskutabel. Hinzu komme der massive Druck auf die Beschäftigten mit Abmahnungen, Versetzungen, Einschüchterungen und Disziplinarandrohungen bis hin zur Drohung mit Kündigung. Eine Wahl von Betriebsräten lehne Ryanair mit der Begründung ab, dass man bereits mit ver.di verhandele, beklagte Behle.

»Die Ryanair-Spitze muss endlich begreifen, dass sich auch der Billigflieger an Recht und Gesetz zu halten und das im Grundgesetz verankerte Streikrecht uneingeschränkt zu respektieren hat«, erklärte der Berliner LINKE-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser, der sich als »Streik-Pate« vor Ort in Tegel und Schönefeld mit den Streikenden solidarisierte.

Der Ryanair-Streik bewegte am Mittwoch auch im Hessischen Landtag die Gemüter. »O’Leary droht Beschäftigten und Gewerkschaften mit Rausschmiss, wenn sie sich nicht seinem Arbeitsregime beugen. Noch so ein Bestimmer, der nichts begreift«, erklärte SPD-Fraktions- und Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Solidarisch zeigte sich auch Linksfraktionschefin Janine Wissler. Sie erinnerte daran, dass der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport Ryanair mit der Gewährung von Rabatten und der Zusage einer schnelleren Abfertigung große Zugeständnisse gemacht und »den roten Teppich ausgerollt« habe. »Damit hat die schwarz-grüne Landesregierung ein vollkommen falsches Signal ausgesandt«, so Wissler.

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