Streik im schwierigen Sektor

Die Belegschaft des Anne-Frank-Zentrums in Mitte hat die Arbeit niedergelegt

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 4 Min.

Befristete Verträge und Spaltung der Belegschaft in feste und freie Mitarbeiter, generell zu wenig Lohn: Nach einer längeren Zeit der Organisierung im Betrieb haben nun die Beschäftigten des Anne-Frank-Zentrums (AFZ) begonnen zu streiken. Am Donnerstagmorgen wurde dies spontan bekannt gegeben, nachdem die Arbeitgeberseite bis zum Vorabend nicht zufriedenstellend auf die Forderungen eingegangen ist. Es wurde eine Versammlung einberufen und einstimmig entschieden, die Arbeit niederzulegen.

»Die Ausstellung bleibt heute geschlossen«, sagt Malte, der zwar beim AFZ fest angestellt ist, aber trotzdem Jahr für Jahr um seine Stelle bangen muss. Seinen Nachnamen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Selbst die festen Mitarbeitenden müssen warten, bis Projektgelder sicher sind. Bald ist es wieder so weit: Zum Jahresende müssen neue Mittel beantragt werden. Dann möchten auch die Beschäftigten mehr Geld haben - das ist ihr Druckmittel. Bisher würden immer zu wenig Gelder beantragt, um einen guten Lohn zahlen zu können, berichten die Beschäftigten.

»In sehr vielen relevanten Punkten ist nichts mehr passiert«, so Malte über die vergangenen Tarifverhandlungen. »Deswegen hat nun eine übergroße Mehrheit der Beschäftigten gesagt, dass sie zum Mittel des Warnstreiks greifen wollen.«

Derweil bringt der Streik auch die Beschäftigten zusammen in Aktion: Es werden Flyer am Streikposten verteilt, Gespräche kommen zustande und es wird über den Arbeitskampf berichtet. Einige der Passanten machen aus Solidarität sogar Fotos mit den Streikenden.

»Gute Stimmung, es geht voran!«, sagt AFZ-Beschäftigter Jan. Eigentlich wünsche sich die Belegschaft, dass diese Auseinandersetzung gar nicht nötig wäre, erklärt er. Es gäbe vieles andere zu tun und das würden die Beschäftigten auch gerne erledigen. Viele von ihnen identifizieren sich mit dem AFZ und seiner Arbeit und sehen in ihr eine Notwendigkeit - gerade in Zeiten des Rechtsrucks. »Die Ereignisse der letzten Wochen haben noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig unsere Arbeit gegen Antisemitismus und Rassismus ist«, sagt Jan. Mit einem guten und schnellen Tarifangebot könne der Vorstand dafür sorgen, dass diese Arbeit auch angemessen bezahlt wird.

Doch was müsste die Arbeitgeberseite anbieten, dass die Belegschaft ein Angebot annimmt? »Bisher gibt es überhaupt kein Angebot für Entfristungsregelungen«, sagt André Pollmann von ver.di. Das müsse sich ändern. Aber es gibt noch mehr: »Wir freien Mitarbeitenden leisten einen Großteil der pädagogischen Arbeit, unsere niedrige Bezahlung spiegelt das aber nicht wieder«, so Jona, die auch Mitglied in der Tarifkommission ist. In einer Mitteilung fasst die Belegschaft ihre Forderungen so zusammen: »Bezahlung nach Tarif für den öffentlichen Dienst. Anständige Bezahlung der freien Mitarbeitenden. Schluss mit Kettenbefristungen.« Doch: »Bisher hören wir nur warme Worte«, so Jona.

Die Geschäftsführung sieht das natürlich anders: »Wir sind den Kolleginnen und Kollegen sehr weit entgegengekommen«, sagt Patrick Siegele, Direktor des AFZ, dem »nd«. Er macht die komplexe Situation der Projektfinanzierung verantwortlich. Beim Staat sei nicht genug und vor allen Dingen nicht ausreichend langfristig Geld zu beantragen. Für solche kleinen Organisationen wie das AFZ sei dann die Entfristung von Beschäftigten eine »existenzielle Gefahr«. Andere Vereine würden gar nicht entfristen. Sein Angebot beinhalte fünf neue Entfristungen. »Dieses Risiko würden wir eingehen.«

Die Löhne seien im aktuellen Angebot schon erheblich erhöht worden - und auch die freien Mitarbeiter bekämen mehr Geld. »Wir nehmen die Anliegen ernst«, so Siegele.

Zuletzt hatten die Beschäftigten Ende August bei der Langen Nacht der Museen mit einem sogenannten Flashmob für bessere Arbeitsbedingungen protestiert. Schon damals begrüßte Gewerkschaftssekretär Pollmann die Entscheidung für einen weiteren Arbeitskampf. Dem »nd« berichtete er von dem guten Organisierungsgrad im Betrieb. Er ist immer noch guter Dinge: »Es wird einen guten Tarifvertrag geben - besser jetzt als später.«

Nächsten Mittwoch steht die nächste Verhandlungsrunde an. Bis dahin sollen die Arbeitgeber das Angebot nachbessern. Ob bis dahin noch einmal gestreikt wird, wollten die Beschäftigten am Donnerstagabend klären - leider nach Redaktionsschluss.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.