- Sonntagsschuss
- Trainerdiskussionen in der Bundesliga
Dauerschnappatmung
Christoph Ruf regt sich über angeblich seriöse Kollegen auf, die schon nach zwei Niederlagen Trainerdiskussionen starten
Bayer Leverkusen gehört nicht zu den Vereinen, über deren Wohl und Wehe ich mich von morgens bis abends informiere. Als in der vergangenen Woche die Schlagzeilen auftauchten, wonach deren Trainer Heiko Herrlich »angezählt« sei, glaubte ich zunächst, ich sei in einen dieser Fantasy-Romane gerutscht, die heute dort liegen, wo früher im Buchladen die Romane auslagen. Irgendwas mit Zeitfressern, Entführungen in die Reiche von Elfen und Einhörnern, Amnesien nach einer Überdosis magischen Tranks. Irgendwie mussten wir aber doch im Dezember 2018 gelandet sein. Nur dass ich an Oktober und November nicht die geringste Erinnerung hatte.
Es war dann aber doch irgendwas ohne Elfen, nämlich die Realität. Denn tatsächlich hatte Leverkusen nur die ersten beiden Saisonspiele verloren. Zwei Spiele, das reicht heute wohl schon für diese todlangweiligen Trainerdiskussionen, die in Wirklichkeit niemanden interessieren, von denen manche Sportjournalisten aber glauben, sie seien das Salz in der trüben Suppe, zu der die Bundesliga geworden ist. Was es dazu zu sagen gibt, hat Mönchengladbachs Trainer am Samstagabend auf den Punkt gebracht, als er sich für Herrlich und den Schalker Kollegen Domenico Tedesco (unfassbare DREI Niederlagen in Folge) einsetzte. »Erbärmlich« sei es von den Journalisten, solche Debatten zu eröffnen, sagte er bei einer Pressekonferenz.
Wobei man noch einen draufsetzen könnte. Dass der Boulevard solche Debatten eröffnet, ist nichts Neues. Neu ist, dass die sogenannte Qualitätspresse in ihrer Verzweiflung meint, auf jede Sau springen zu müssen, die irgendein gelangweilter Chronist durchs Dorf treibt. Als ob die zwei, drei Prozent der Abonnenten, die durchschnittlich jedes Jahr abspringen, zurückkehren, wenn sich die angeblich seriöse Presse immer mehr den Schwachsinnsportalen im Netz angleicht, die zwischen Katzenvideos und Ab- oder Zunehmtipps irgendwelche Sensationen in den Äther blökt.
Doch egal, ob es um Transfers, um Fouls oder um Trainerdiskussionen geht - der hyperventilierende Grundsound der Berichterstattung gehört dazu. Vor allem dann, wenn Fußballfans ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch nehmen. Es gibt Reporter, die von der Kanzel herab die Proteste aller Fanszenen gegen die Montagsspiele kritisieren und einem Millionenpublikum auf den Fernsehsesseln erläutern, wie lächerlich doch die Wut über die Allmacht der Fernsehanstalten sei, die de facto zunehmend die Anstoßzeiten unter sich ausmachen. Ob da vielleicht jemand parteiisch ist?
Es kann allerdings gut sein, dass die ganze Hysterie ein Zeichen dafür ist, dass sich in der Branche allmählich Panik breit macht. Denn während die Deutsche Fußball Liga neue Zuschauerrekorde vermeldet, gibt es viele Hinweise darauf, dass der Hype um den Profifußball abebbt. In absoluten Zahlen gemessen wuchs der Zuschauerzuspruch in der vergangenen Saison zwar tatsächlich noch einmal, doch das liegt vor allem daran, dass die großen Stadien der beiden Absteiger aus Köln und Hamburg gut besucht waren. Spannender als die absoluten Zahlen ist die prozentuale Auslastung der Arenen. Nur zwischen 70 und 80 Prozent betrug die in dieser noch jungen Spielzeit in Berlin (gegen Nürnberg), Mainz (Stuttgart), Wolfsburg (Hertha), Leipzig (Düsseldorf) sowie in Düsseldorf und Nürnberg (jeweils am ersten Spieltag). An diesem Samstag gab es in Mainz zudem bei bestem Fußballwetter den schlechtesten Besuch, seit die Rheinhessen in die neue Arena umgezogen sind: 21 100 Zuschauer, 33 000 passen hinein. Seit der Saison 2013/2014 geht die Auslastungsquote der Stadien zurück, zwar nur minimal von 93,1 auf 91,9 Prozent, doch auch diese Zahl wirkt noch positiver als die Wirklichkeit. Eine Studie der Uni Düsseldorf kommt nämlich zum Schluss, dass die reale Auslastung nur bei etwa 82 Prozent liege. Denn Zuschauer, die eine Dauerkarte besitzen, aber nicht zum Spiel erscheinen, werden praktischerweise mitgerechnet.
Doch zurück zum dritten Spieltag und der Schnappatmung in den Medien. Augenzeugen der Partie Gladbach gegen Schalke wussten nicht nur zu bestätigen, dass Schalke mitnichten wie ein Team aufgetreten sei, das ein Problem mit dem Trainer hat. Die gut 8000 Gästefans applaudierten ihrer Mannschaft nach der Niederlage. Und das, wo die Fankurve im Vergleich zur Pressetribüne doch der leichter entflammbare, irrationalere Teil des Stadions ist. Glaubt zumindest die Pressetribüne.
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